Gegen »die organisierte Traurigkeit«

Was die Linkenvorsitzenden Kipping und Riexinger für »die kommende Demokratie« und die Zukunft ihrer Partei vorschlagen

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Zukunftskongress braucht natürlich eine »Zukunftsrede« - und die werden am Freitag die Vorsitzenden der Linkspartei halten. Katja Kipping und Bernd Riexinger haben dazu eine Art Manifest vorgelegt - wir haben schon einmal reingelesen: 16 Seiten über »Die kommende Demokratie« und den »Sozialismus 2.0«.

Angekündigt ist dieser Aufschlag mit den Worten: »Es braucht neue strategische Anker für die Partei. Nur: Wie können diese eigentlich aussehen und wo könnten sie Halt finden?« Das ist eine Frage, die Linke praktisch immer interessiert und beschäftigt. Die Antworten von Kipping und Riexinger, die wissen, dass da »keine kleine Aufgabe« ansteht, laufen auf drei zentrale Punkte hinaus:

Man wolle erstens, heißt es »zu den Aufgaben und Möglichkeiten einer Partei der Zukunft im Europa von Morgen«, die »Machtfrage auf allen Ebenen stellen«. Kipping und Riexinger zielen auf »eine emanzipatorische Klassenpolitik«, in der »die Kämpfe gegen die schlimmsten Auswüchse von Prekarität« mit Auseinandersetzungen »um Geschlechtergerechtigkeit, gegen Rassismus und für globale Solidarität, für Klimagerechtigkeit und eben globale Demokratie« verknüpft werden.

Träger dieser »Demokratisierung von Unten« könnte, so die Linkenspitze, »ein Bündnis bestehend aus Erwerbslosen, Prekarisierten, Beschäftigten, insbesondere den wachsenden Beschäftigtengruppen im Bildungs-, Gesundheits- und Pflegebereich sowie den urbanen linken Milieus und der neuen europäischen Generation sein«.

Als zweiten Punkt nennen Kipping und Riexinger ein »transformatives Organizing«, bei dem »neue Agenten des Gemeinsamen« eine Rolle spielen. Klingt kompliziert, läuft aber praktisch darauf hinaus, die Linke wieder stärker als Partei des Alltags zu positionieren – in etwas anderer Weise, als das die die PDS in den 1990er Jahren bereits war:

»Eine emanzipatorische Hegemoniepolitik, ein neuer Linkspopulismus brauchen sowohl eine neue Sprache wie eine neue Konfliktfähigkeit«, schreiben Kipping und Riexinger – und plädieren für »eine Offensive des Zuhörens«. Die Linke solle ihre Büros öffnen (und ihre Internetforen) und zu Foren für soziale Bewegungen sowie Anlaufpunkte für Menschen in Stadtteilen machen. Das soll die Kampagnenfähigkeit vor Ort stärken, die Linkspartei aber zugleich wieder mit dem »Sound der Straße« konfrontieren, den zu sprechen, die Linkspartei immer wieder neu lernen müsse.

Auch gegen die »Meinungsmacht« soll etwas getan werden – und zwar über das Internet. Das Ziel: einerseits unabhängiger gegenüber den großen Medien zu werden, andererseits auch der »dunklen Seite, den Verschwörungstheorien und Hetzportalen« im Internet »mit eigenen Angeboten und Argumenten« entgegenzutreten. Dazu schlagen Kipping und Riexinger »die Schaffung eines eigenen Internet TVs« vor.

Einen dritten »strategischen Anker« sollen »Laboratorien der Zukunft« bilden: Kipping und Riexinger sehen die Zukunftswoche nur als einen Anfang »für die gemeinsame Diskussion über die Zukunftsträume, die linken Alternativen und Strategien, über die Partei der Zukunft«. Ohne Beteiligung der Vielen werde das aber nichts, so die Linkenvorsitzenden: »Denn nur als aktive Mitgliederpartei können wir auch außerhalb von Wahlkämpfen die geplanten Kampagnen umsetzen, die nötigen Kämpfe führen und unsere Verankerung im Alltag der Menschen verbreitern«, schreiben Kipping und Riexinger in ihrer Zukunftsrede.

»Wir haben viel vor«, heißt es darin ganz zum Schluss. »Der Versuch mit dem business as usual auch innerhalb der gesellschaftlichen Linken zu brechen, ist nicht einfach und verlangt uns allen viel ab. Aber wir sind uns sicher, dass es sich lohnt. Denn: Wie die Zukunft aussieht, entscheidet sich nicht morgen, sondern heute.« Gegen »die organisierte Traurigkeit des Kapitalismus« ebenso wie »seine reaktionäre Kritik von rechts« sei die »die linke Wette« immer gewesen, »dass es die Menschen selbst sind, die ihre gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmen können, dass Geschichte machbar ist. Beweisen wir es. Jetzt.« tos

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