Dankbarkeit
Tom Strohschneider über den 8. Mai und die ewigen Relativierer
Unter dem Titel »Vergangenheit, die nicht vergeht« erschien 1986 ein Text von Ernst Nolte, der die Einzigartigkeit der NS-Verbrechen in Abrede stellte. Jürgen Habermas war einer der ersten, der die Relativierung des faschistischen Furors kritisierte - der Auftakt zu dem, was später »Historikerstreit« genannt wurde.
Eine Sache von gestern? Nur für Fachleute? Mitnichten. Knapp 30 Jahre später sind die Relativierer nicht verschwunden. Da ist etwa die Berufsvertriebene Erika Steinbach, die der Roten Armee Dankbarkeit für deren großen Anteil am Sieg über Nazideutschland versagt, weil Stalin und Hitler »Brüder im Geiste« gewesen seien. Oder der Historikerdarsteller Hubertus Knabe, der sich gegen einen Befreiungs-Feiertag mit der Begründung aussprach, dass »ab dem 8. Mai 1945 ganz schlimme Sachen« passiert seien.
Das Bemühen, die einen Verbrechen kleiner erscheinen zu lassen, indem man über andere Verbrechen spricht, ist keine randständige Denkfigur. Noch in Merkels Absage an die Moskauer Siegesparade scheint diese Relativierung auf. Sie hat Spuren als abnehmende Bereitschaft hinterlassen, sich mit deutscher Schuld auseinanderzusetzen: Eine große Mehrheit von 77 Prozent stimmte vor nicht allzu langer Zeit der Aussage zu, »man sollte die Geschichte ruhen lassen«.
Umso wichtiger ist es, den 8. Mai endlich zu einem Ankerpunkt des Nicht-Vergessens zu machen. Zu einem Tag, der hilft, dass diese Vergangenheit nicht vergeht. Aus Respekt vor den Millionen Opfern. Und in Dankbarkeit gegenüber den Befreiern.
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