Hamburger »General«

PERSONALIE

Gregor Gysi wird seit geraumer Zeit verdächtigt, als Anwalt der DDR-Staatssicherheit zugearbeitet zu haben. Das hat der Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Bundestag stets zurückgewiesen. Jetzt soll Hamburgs Generalstaatsanwalt Lutz von Selle Weisung erteilt haben, Gysi wegen des Verdachts einer falschen eidesstattlichen Versicherung anzuklagen. Darin hatte der Politiker erklärt, gegenüber den DDR-Sicherheitsorganen nicht geplaudert zu haben. Zum wiederholten Male. Der zuständige Hamburger Staatsanwalt habe sich geweigert, Anklage zu erheben, heißt es weiter. Die nicht bewiesenen Stasi-Vorwürfe sorgen damit nicht nur für Kopfschütteln bei den Genossen, sondern auch für einen Skandal im Justizapparat der Hansestadt.

Mit von Selle hat sich ein Terrier in Gysis Waden verbissen, dem ein Respekt einflößender Ruf vorauseilt: Knallhart soll er laut Medienberichten sein, pedantisch, penibel und kompromisslos. Aber auch fleißig: Nicht selten sitzt der Jurist bereits morgens vor sieben Uhr am Schreibtisch. Abends macht er dann das Licht als Letzter aus, heißt es. Sein Spitzname lautet »General« - vermutlich auch wegen seines Führungsstils. Die bundeswehrartige Amtsführung ist in seiner Behörde umstritten; von einem Klima der Angst und Verunsicherung war bereits vor einigen Jahren die Rede. Von Selle, der vor sechs Jahren Generalstaatsanwalt wurde, blieb trotzdem auf seinem Posten. In sein Amt wurde der »Aktenfresser« vom Justizsenator Till Steffen (Grüne) eingeführt.

Ob Anklage gegen Gysi erhoben wird, steht nach wie vor in den Sternen. Um ihn geht es bei dem Tamtam auch nicht - zumindest nicht vorrangig. Das eigentliche Ziel ist die LINKE, die sich zuletzt ein Stück weit von dem Image der SED-Nachfolgepartei lösen konnte. Sie soll wieder in die Schmuddelecke gedrängt werden. Dabei macht sich der ehemalige Direktor des Amtsgerichtsdirektor von Hamburg-Wandsbek zum willfährigen Gehilfen - ob mit Absicht oder nicht, kann von Selle nur selbst beantworten.

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