Edathy soll SPD-Mitgliedschaft drei Jahre ruhen lassen

Affäre um anzügliche Kinderbilder: Schiedskommission des Parteibezirks Hannover sieht keinen »erheblichen Verstoß« gegen Grundwerte oder Ordnung der SPD

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Ex-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy wird zunächst nicht aus der SPD ausgeschlossen. In einem schwerer wiegenden Fall in Niedersachsen wurde nicht einmal ein Parteiverfahren eröffnet.

Sebastian Edathy darf trotz seiner Kinderpornoaffäre in der SPD bleiben. Nur ruhen seine Mitgliedsrechte für drei Jahre. Das hat die Schiedskommission des Parteibezirks Hannover am Montag entschieden.

Doch noch ist es zu früh für Edathy, sich in dieser Auseinandersetzung als Sieger zu fühlen. Denn der Bundesvorstand, der den Rausschmiss des Ex-Abgeordneten will, kann gegen die Entscheidung aus Hannover Berufung einlegen, woran Generalsekretärin Yasmin Fahimi auch postwendend erinnerte. Dann ginge die Sache vor die Bundesschiedskommission. Selbst sie muss nicht das letzte Wort haben. Angenommen, sie entscheidet auf Ausschluss, könnte Edathy vor einem staatlichen Gericht klagen.

Auf seiner Facebook-Seite schrieb Edathy kurz nach der Entscheidung, er werde seinerseits »prüfen, ob ich das so akzeptiere oder die Bundesschiedskommission anrufe«.

Die Gründe, die die Schiedskommission des Bezirks dazu brachten, gegen den Willen der Parteispitze dieses relativ milde Urteil zu fällen, erläuterte der Vorsitzende des Gremiums, der pensionierte Richter Jürgen Dietze, am Montag vor der Presse: Man habe sich um ein faires Verfahren bemüht, und bei einem solchen gelte die Unschuldsvermutung. Zu berücksichtigen sei auch die Entscheidung des Landgerichts Verden. Dies hatte den Strafprozess gegen Edathy eingestellt, der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete ist also straf- und schuldlos aus dem Prozess gegangen.

Darüber hinaus habe die Schiedskommission nicht die Frage beantworten können: War es tatsächlich Kinderpornografie, was sich Edathy an Bildern besorgt hatte? Vorsitzender Dietze verwies auf den Bundesgerichtshof. Der habe als Kriterium für die Einstufung von Bildern als Pornografie »das lüsterne Interesse des Betrachters« und eine überwiegend auf das Sexuelle ausgerichtete Darstellung als wesentliches Merkmal erachtet.

Die Schiedskommission aber habe die Bilder nie gesehen. Daher könne sie auch nicht feststellen, ob sie als pornografisch einzustufen seien. Berücksichtigt, so Dietze, habe man auch, dass Edathy die Bilder auf seinem Privatcomputer, nicht aber auf einem PC des Bundestages konsumiert habe. Also sei das ein Vorgang innerhalb der Privatsphäre gewesen. Nicht übersehen werden dürfe, dass die Sache »von den Medien hochstilisiert wurde«, so Dietze.

»Ein erheblicher Verstoß gegen die Grundsätze oder die Ordnung der SPD liegt nicht vor«, konstatierte die Schiedskommission am Ende. Durch Edathy sei auch kein schwerer Schaden für die Partei entstanden.

Allerdings sei das Bestellen solcher Bilder »nicht in Ordnung« gewesen. Deshalb habe man ein dreijähriges Ruhen der Mitgliedsrechte verfügt. Das heißt: Edathy bleibt bis auf Weiteres in der Partei, darf aber beispielsweise keine Funktionäre mitwählen.

Wenn auch nur diese vergleichsweise milde Sanktion ausgesprochen wurde, bleibt als Fakt: Gegen Edathy ist ein Parteiordnungsverfahren gelaufen. Angesichts dessen muss sich die SPD-Spitze fragen lassen, warum sie auf ein solches verzichtet hat, als ein anderer Mandatsträger mit Kinderpornos für Wirbel sorgte. Über 700 derartige Dateien waren 2009 auf dem Computer des SPD-Fraktionsvorsitzenden im Rat der Stadt Salzgitter, Daniel H., entdeckt worden. Er kam nicht, wie Edathy, mit einer Einstellung des Verfahrens davon, sondern wurde vom Amtsgericht zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.

Dennoch startete die SPD kein Ordnungsverfahren gegen den Politiker. Warum nicht? Vielleicht, weil H. seinerzeit alle Funktionen abgegeben hatte, vermuten Genossen. Oder misst sie mit zweierlei Maß, die Parteispitze? Eine Frage, die wohl am besten der Bundesvorsitzende beantworten könnte. Der NDR wollte ihn dieser Tage dazu fragen, doch Sigmar Gabriel war nicht zu erreichen. Übrigens: Salzgitter liegt in seinem Wahlkreis. Und im SPD-Bezirk Braunschweig. Dessen Vorsitzender war 2009, als die Kinderpornoaffäre hochkochte: Sigmar Gabriel.

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