Bei der Post kann gestreikt werden

Logistikunternehmen bleibt in Tarifauseinandersetzung stur - ver.di auch

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Ultimatum mit einem Gewerkschaftsangebot verstrich am Donnerstag, die Post ging nicht darauf ein. Damit kann ver.di ab sofort zum unbefristeten Streik aufrufen.

Der eine Streik ist ausgesetzt, der andere wird deutlich ausgeweitet. Nachdem die Deutsche Post am Donnerstag ein Ultimatum und Angebot der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di unbeantwortet hat verstreichen lassen, steht dem weltweit größten Logistik- und Postunternehmen mit über 140 000 Tarifbeschäftigten ein unbefristeter Streik ins Haus. In der festgefahrenen Tarifrunde war es schon in den letzten Wochen zu Warnstreiks gekommen, während derer tausende Briefe und Pakete liegengeblieben waren.

»Dass die Deutsche Post AG die Erklärungsfrist ignoriert, ist ein unter Tarifvertragsparteien sehr ungewöhnliches Verhalten und wirft die Frage auf, ob das Unternehmen überhaupt ein Interesse an einer Lösung am Verhandlungstisch hat«, sagte ver.di-Vize Andrea Kocsis am Donnerstagnachmittag in Berlin. Die Post habe sich an zehn Verhandlungsrunden seit Mitte März »nicht in die Richtung einer Konfliktlösung bewegt«. Mit Verstreichen des Angebotes sind unbefristete Streiks »ab sofort« möglich, teilte ver.di mit. Einen konkreten Termin nannte die Gewerkschaft noch nicht.

Kern der Auseinandersetzung sind die 49 Ende 2014 gegründeten Post-Töchter der DHL Service GmbH. Mittlerweile arbeiten dort rund 6000 Menschen. Bezahlt werden sie nach den jeweils regional geltenden Tarifverträgen der Speditions- und Logistikbranche. Das bedeutet für die Beschäftigten einerseits eine meist niedrigere Bezahlung als unter dem Post-Haustarifvertrag, andererseits weichen die Tarifverträge von Bundesland zu Bundesland stark voneinander ab. Das setzt die Beschäftigten zusätzlich in eine Konkurrenz, was Tarifverträge als kollektive Verhandlungsergebnisse verhindern sollen.

Ver.di kritisiert die Tarifflucht der Post scharf und will, die Beschäftigten wieder ins Mutterunternehmen holen. Die Gewerkschaft wirft der Post überdies den Bruch eines Vertrages gegen die Fremdvergabe von Zustellbezirken vor, der noch bis Ende des Jahres läuft.

Doch am aktuellen Arbeitskampf sind diejenigen, um die es geht, gar nicht beteiligt. Die regionalen Tarifverträge in der Speditons- und Logistikbranche laufen noch. Regulär mit Laufzeitende gekündigt, war zunächst nur der Entgelttarifvertrag der Post. Hier konnten die Verhandlungen um die ursprünglichen ver.di-Forderungen nach 5,5 Prozent mehr im Monat bei einer zwölfmonatigen Laufzeit beginnen. Ver.di kündigte also die die Arbeitszeit betreffenden Regelungen im Flächentarifvertrag, forderte in der laufenden Tarifrunde eine Arbeitszeitverkürzung von 2,5 Stunden bei vollen Lohnausgleich für alle 140 000 Beschäftigten. Das würde das Unternehmen so viel kosten, dass die Ausgründung der 49 Post-Töchter sich nicht mehr lohnen würde.

In der vergangenen Woche hatte ver.di dann der Post das Angebot unterbreitet, auf eine lineare Lohnerhöhung zu verzichten, stattdessen eine Einmalzahlung von 500 Euro bei einer Laufzeit von 27 Monaten anzunehmen. Dazu bot ver.di an, die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung fallen zu lassen, wenn die Post die Beschäftigten der DHL Service wieder in den Haustarifvertrag holt.

Sicher, es ist ein Abwehrkampf, die Entgeltforderung ist fallengelassen. Dennoch wäre es ein Erfolg, würde es der Postbelegschaft gelingen mit einem Streik, die 6000 DHL-Service-Beschäftigten wieder in den Haustarif zubekommen.

Überdies wäre es ein Akt gelebter Solidarität in dem Unternehmen. Und die Beschäftigten wissen: Es geht auch um ihre eigene Haut, denn einem Unternehmen, das so offensichtlich Tarifflucht begeht, sind auch weitere Angriffe auf die Belegschaft zuzutrauen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal