Umsonst und draußen

Abschlusskonzert der Suurbiers in Kreuzberg

  • Marc Hairapetian
  • Lesedauer: 3 Min.

Es gibt zwei Lichtgestalten der deutschsprachigen Popmusik, die sich über einen jeweils langen Zeitraum kontinuierlich selbst im Weg standen. Die eine ist Peter Hein, der nach dem Erfolg von »Monarchie und Alltag« (1980) kurz vor Beginn einer großen Fehlfarben-Tournee ausstieg, um lieber »romantische Teeabende« mit seiner Freundin zu genießen. Der andere war Micha(el) Wahler, gebürtiger Berliner und Gründungsmitglied der Suurbiers, weswegen er in der Szene eigentlich nur Cäpt’N Suurbier genannt wurde. Sie haben leider richtig gelesen: »war«, denn ausgerechnet am Valentinstag letzten Jahres machte er seinem Leben selbst ein Ende.

Musik machte Michael Wahler zunächst aus Rebellion gegen seinen Über-Vater. Im Zuge der Neuen Deutschen Welle entstand Frau Suurbier, benannt nach einem Otto-Waalkes-Sketch und einem Nebencharakter der Fernsehserie »Ein Herz und eine Seele«. Die Combo war allerdings keine typische Wave-Band jener Tage, sondern eine vom Rockabilly beeinflusste Fun-Punk-Combo mit hinreißenden Blödel-Texten, aber auch anspruchsvollen Lyrics. Die drei Gründungsmitglieder Micha (Gitarre, Gesang), Tom (Schlagzeug) und Hans (Bass) spielten alle Fußball beim VfB Hermsdorf und nannten sich fortan mit Nachnamen Suurbier.

Das Schicksal wollte es so, dass der Talentschmiede des Cäpt’N Suurbier immer wieder die besten Musiker von anderen aufstrebenden Bands abgeworben wurden. Michael »Bum Bum Suurbier« Beckmann wechselte zu den Rainbirds, Hans Runge als Sahnie zu den Ärzten, Schlagzeuger Grandmaster Suurbier alias Wölli, der noch den besten Suurbier-Song aller Zeiten »Teenage Rebell« in hinreißender Christian-Anders-Manier »im Kampf gegen eine stumpfsinnige, verachtungswürdige Welt des Heavy-Metal-Lärms« intonierte, zu den Toten Hosen.

Trotz diverser Tonträger brachte die Gruppe nie eine echte Langspielplatte auf den Markt. In der Trauer und im Schmerz entstehen manchmal aber die besten Ideen: Mittels Crowdfunding und dem unermüdlichen Einsatz des heutigen Filmkomponisten Michael Beckmann (»Fack ju Göhte«) und seinen Freunden vom »Verein für Suurbierkultur und Handwerk« kam in diesem Jahr gar ein auf 500 Stück limitiertes, schnell vergriffenes Doppel-Vinyl-Album mit allen alten und neueren Perlen wie »Drei-Akkord-Wunder« oder »Ein Mädchen, das etwas wie ein Junge ist« auf den Markt, das auch als Download erhältlich ist. Seit der bewegend-ausgelassenen und völlig überfüllten Record-Release-Party in der Tegeler Hafenbar am 21. März spielt sich die aus fast allen ehemaligen, überlebenden Mitgliedern zusammen gesetzte Band mit neuem Sänger Stefan »Overnight Suurbier« Fiebig durch die deutschen Lande. Am Sonntag findet das vorläufige Abschlusskonzert der »Teenage Rebell«-Tour »umsonst und draußen« auf dem Kreuzberger Marheinekeplatz statt. Das alles hätte den Cäpt’N, der von seinen Bewunderern häufig auch als »Der Allercoolste von Westberlin« geadelt wurde, sicherlich gefreut!

21.6, 19 Uhr, Marheinekeplatz, Kreuzberg

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