Kritik an Rolle des IWF im Schuldenstreit

Wagenknecht will Währungsfonds »in die Wüste« schicken / Berlin pocht auf Beteiligung an Einigung

  • Vincent Körner
  • Lesedauer: 2 Min.
Längst ist das Problem größer als Griechenland. Der renommierte Ökonom Piketty forderte deshalb »eine Konferenz über die gesamten Schulden Europas«.

Vor dem für Mittwochabend angesetzten Treffen der Euro-Finanzminister ist im Streit um das Kreditprogramm für Griechenland die Rolle des Internationalen Währungsfonds (IWF) in den Mittelpunkt gerückt. Athen kritisierte die ablehnende Haltung des IWF zu den Vorschlägen, die zuvor noch von EU-Kommission und Eurogruppe als gute Diskussionsgrundlage bezeichnet worden waren. Die SYRIZA-geführte Regierung hatte Pläne vorgelegt, auf deren Basis die Auszahlung von Geldern aus dem blockierten Kreditprogramm und dessen Verlängerung erreicht werden sollten.

Doch der IWF stellte sich vor dem Brüsseler Treffen quer - nach dem Motto Profite schützen, Rentner bestrafen. Dies drückte sich in einem Gegenvorschlag der Gläubiger aus, in dem von Athen eine geringere Anhebung der Unternehmenssteuern als geplant abverlangt werden sollte. Auch wurde Veto gegen eine geplante Profitsteuer eingelegt, die Gewinne ab einer halben Million Euro belasten soll. Stattdessen solle Athen bei den Renten weitere Kürzungen vornehmen und die Mehrwertsteuererhöhung auf weitere Produkte ausweiten.

Griechenlands Premier Alexis Tsipras hatte deshalb das Interesse der Gläubiger an einer Einigung bezweifelt. Dass »bestimmte Institutionen« Athens Vorschläge »nicht akzeptieren«, hieß es aus Regierungskreisen, sei eine »befremdliche Haltung«: »Entweder wollen sie keine Vereinbarung oder sie dienen bestimmten Interessen in Griechenland.« Der grüne Finanzpolitiker Sven-Christian Kindler sagte, eine höhere Mehrwertsteuer wirke rezessiv. Für eine Rückzahlung der Schulden brauche man aber eine wachsende Wirtschaft. Die Vorsitzende der linken Europafraktion, Gabi Zimmer, sagte, verweigerten die Gläubiger eine Einigung, beweise dies, dass es ihnen »allein um den Sturz« einer linken Regierung geht.

Die Haltung des IWF wurde auch als Signal interpretiert, dass der Währungsfonds nicht länger im griechischen »Schuldenboot« sitzen wolle. Die Trennung vom IWF forderte Linksfraktionsvize Sahra Wagenknecht: Die EU-Staaten müssten den Währungsfonds »in die Wüste schicken, bevor er Teile Europas in eine Wüste verwandelt«. Die Bundesregierung ließ wissen: »Für uns ist eine Lösung ohne den IWF nicht denkbar. Daran wird sich auch in den kommenden Tagen nichts ändern.«

Erneut machten auch Berichte die Runde, dass die Gläubiger in der Frage von Schuldenerleichterungen für Athen zerstritten seien. Die griechische Regierung hatte solche verlangt. IWF und Bundesregierung hatten aber erklärt, dies sei »derzeit« kein Thema.

Der renommierte Ökonom Thomas Piketty forderte hingegen »eine Konferenz über die gesamten Schulden Europas«. Deutschland sei das Land, das nie seine Schulden bezahlt habe, sagte er der »Zeit« mit Blick auf die Entschuldung nach dem Zweiten Weltkrieg. »Es kann darin anderen Ländern keine Lektionen erteilen.«

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