Ostunternehmen sind zu klein

Firmen in den neuen Bundesländern mangelt es an Innovation und Export

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.
Nach der Wende wurden die ostdeutschen Großbetriebe zerschlagen. Eine geringere Produktivität als im Westen ist noch heute die Folge. Eine Studie im Auftrag der Ostbeauftragten kommt zu diesem Ergebnis.

Vergangenen Herbst feierte die schwarz-rote Bundesregierung groß den 25. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung. Doch ein Vierteljahrhundert nach der Wende hinkt der Osten dem Westen in Sachen Wirtschaftsleistung weit hinterher. Noch immer beträgt diese in den neuen Bundesländern nur knapp über 70 Prozent von der in den alten Bundesländern. Die Hauptursache hierfür ist Wirtschaftsexperten zufolge die Kleinteiligkeit der ostdeutschen Wirtschaft.

Denn kein einziges Dax-Unternehmen befindet sich in den neuen Bundesländern oder in Berlin. Nur 20 Prozent der ostdeutschen Beschäftigten sind in Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern tätig, im Westen sind es rund die Hälfte. Welche Folgen dies hat, zeigt nun eine 144 Seiten lange Studie des DIW ECON, eine Beratungsfirma des deutschen instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag der Ostbeauftragten der Bundesregierung Iris Gleicke (SPD), die am Donnerstag veröffentlicht wurde. Demnach haben Ostunternehmen gegenüber ihrer Westkonkurrenz vor allem Probleme bei Forschung und Export. Denn bei klassischen Standortfaktoren konnten die Wirtschaftsexperten keine großen Nachteile feststellen.

»Der Aufholprozess ist ins Stocken geraten und stagniert, das muss man so hart sagen«, kommentierte Gleicke die Ergebnisse der Studie. Zwar habe man im Osten eine » leistungsfähige mittelständische Wirtschaft«, was fehlte, seien aber die großen Unternehmen. Gleicke warnte deswegen vor der Illusion, der Aufbau Ost sei mit den Jubiläumsfeiern zu 25 Jahre deutsche Einheit abgeschlossen: »Wir werden noch viel Zeit brauchen, und zwar deutlich über 2019 hinaus. Wir brauchen einen langen Atem.«

Warum es in den neuen Bundesländern hauptsächlich kleine Betriebe gibt, fassen die Forscher lediglich in knappen Sätzen zusammen. »Der Ursprung der Kleinteiligkeit der ostdeutschen Wirtschaft wird vor allem in der Transformation zu Beginn der 1990er Jahre und der damals betriebenen Privatisierungspolitik gesehen«, heißt es zu Beginn der Studie. Häufig kauften Konzerne aus dem Westen die ehemals volkseigenen Betriebe nur, um diese schnell zu schließen und so unliebsame Konkurrenz loszuwerden.

»Ostdeutsche Klein- und Kleinstunternehmen sind wegen ihrer fehlenden Vernetzung mit Unternehmenszentralen weiterhin auf Selbsthilfe angewiesen«, fasst der Ostkoordinator der LINKEN im Bundestag, Roland Claus, die Folgen dieses Kahlschlags kurz nach der Wende zusammen. Weil in den neuen Bundesländern die Firmen nämlich kleiner als in der alten BRD sind und es hier auch keine großen Unternehmenszentralen gibt, wird in den Ostbetrieben wenig geforscht.

Dies beeinträchtigt letztlich auch Produktivität und Innovation. Statt auf innovative Produkte zu setzen und neue Märkte zu erschließen, werde zu oft auf eine kostenminimierende Strategie gesetzt, schreiben die Experten in ihrer Studie. Dabei ist die Stellung vieler ostdeutscher Unternehmen als bloße Zulieferer nicht gerade hilfreich. Dadurch ist die Wertschöpfungstiefe beschränkt und der innovative Anteil gering.

Auch schaffen die Unternehmen in den neuen Bundesländern weniger häufig den Sprung ins Ausland. So beträgt die Exportquote – also der Anteil der Ausfuhren an der gesamten Wirtschaftsleistung – im Osten nur 26,5 Prozent, während es im Westen 32,1 Prozent sind. »Auf diese Weise entgehen ostdeutschen Unternehmen die Wachstumschancen, die der internationale Markt bietet. Dies gilt nicht nur in Bezug auf weitere Absatzmärkte, sondern auch hinsichtlich möglicher Skaleneffekte, Lerneffekte und Kooperationspartner«, schreiben die Ökonomen in ihrer Studie.

Ein wichtiger Grund hierfür seien die spezifischen Kosten, »die mit Exportaktivitäten verbunden sind«, so die Forscher. Und diese Ausgaben können Konzerne besser stemmen als kleine Betriebe. Folglich sind große Unternehmen weitaus häufiger international tätig als kleine. Exportiert nur jedes zehnte Unternehmen, das weniger als zehn Beschäftigte hat, sind sechs von zehn Firmen mit mehr als 250 Angestellten im Außenhandel tätig. So sind die ostdeutschen Unternehmen aufgrund ihrer geringen Größe abermals gegenüber ihrer westdeutschen Konkurrenz im Nachteil.

Der linke Ostpolitiker Claus setzt trotzdem zunächst auf die Wissenschaft: »Aufholen könnten ostdeutsche Unternehmen vor allem durch die verbesserte Förderung von Forschung und Entwicklung.« Dafür müsste jedoch die Mittelstandsförderung des Bundes mindestens verdreifacht werden, »um dem Namen gerecht zu werden«, so Roland Claus.

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