Weniger Nazis, mehr Gewalt

Bundesinnenminister präsentierte den Verfassungsschutzbericht 2014

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Zwar ist die Zahl amtlich erfasster Rechtsradikaler lauf Verfassungsschutzbericht rückläufig, doch der verbliebene Rest ist gefährlicher als je zuvor.

Der Saal der Berliner Bundespressekonferenz war gut gefüllt, als Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Dienstag den Verfassungsschutzbericht 2014 vorstellte. Wie später bei den zugelassenen Fragen der anwesenden Journalisten klar wurde, interessierten sich die Medienvertreter vor allem für den 27-seitigen Bereich »Rechtextremismus« des Berichts. Demnach ist die Zahl der rechtsextremistischer Personen »leicht rückläufig«, wie der Minister betonte. Im vergangenen Jahr zählte der Verfassungsschutz rund 21 000 Neonazis. Im Jahre 2005 waren es noch 39 000 Rechtsradikale gewesen. Doch obwohl sich die braune Schar angeblich fast halbiert haben soll, steigt die Zahl rechter Gewalttaten weiter an. Auch weil der Anteil der gewaltorientierten Rechten mit 10 600 hoch bleibt. So ist es kein Wunder, wenn der Verfassungsschutz bei den Gewalttaten im letzten Jahr ein trauriges Plus von 24 Prozent konstatierte. Insgesamt 990 Gewalttaten erfasste die Behörde, davon hatten 512 einen »fremdenfeindlichen Hintergrund«. Der Minister warnte: Das sei der höchste Stand seit Einführung des Definitionssystems »Politisch motivierte Kriminalität« im Jahr 2001. Deshab dürfe es, so de Maizière, »kein stilles Einverständnis« bei solchen Übergriffen geben. Auf dieses stille Einverständnis konnten viele der Täter setzen, die in den vergangenen Monaten gegen geplante oder bereits bewohnte Asylbewerberheime vorgingen. Hier drohe in diesem Jahr gar ein neuer Negativrekord, so der Minister. Im ersten Halbjahr habe man bereits 175 Attacken auf Flüchtlingsunterkünfte gezählt.

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, verwies am Dienstag auf die Mitverantwortung CDU und CSU: »Die Bundesregierung trägt das Ihre dazu bei, ein Klima zu schaffen, in dem Flüchtlinge als Bedrohung wahrgenommen werden«, so Jelpke.

Zwar ist CSU-Chef Horst Seehofer kein Mitglied der Regierung, seine Partei aber schon. Gegenüber dem »Bayernkurier« beklagte Seehofer vor wenigen Tagen den »massenhaften Asylmissbrauch« und spielte so jenen in die Karten, die gegen Asylbewerber hetzen.

Auf Nachfrage bestätigte der Innenminister, dass man die islamfeindliche Pegida-Bewegung nicht beobachte, weil sie nicht rechtsextrem sei. Man werde erst aktiv, wenn Rechtsextremisten versuchen, dort Einfluss zu nehmen, so de Maizière. Dass es solche Versuche gibt, musste der Minister einräumen. So versuchten Rechtsextreme, bürgerliche Demonstrationen zu vereinnahmen.

Zusammen mit Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen konnte der Minister aber auch einen großen Erfolg vermelden - und zwar die Entdeckung der Oldschool Society (OSS), die zwar teilweise aus Rechtsextremisten bestand, von der aber bis heute niemand weiß, ob die Mitglieder tatsächlich Anschläge verüben wollten. Zweifel daran erwachsen auch aus dem Umstand, dass die OSS als Facebook-Gruppe mit 3000 Freunden nicht besonders konspirativ vorging. Bezeichnend auch Maaßens Eingeständnis, man habe die OSS über deren WhatsApp-Gruppe »aufgeklärt«. Einfacher kann man es den Ermittlungsbehörden nicht machen. Eine gute Nachricht hatte der Bundesinnenminister noch zu vermelden: Die NPD befinde sich in einer »starken Krise« und habe »in allen Bereichen verloren«.

Im Anschluss an die Pressekonferenz startete die Kampagne »Blackbox Verfassungsschutz« der Berliner Naturfreunde eine Performance, um auf die Verwicklungen des Inlandsgeheimdienstes in die NSU-Mordserie aufmerksam zu machen. So hatten Landesämter und Bundesamt »nicht weniger als 37 V-Leute im Umfeld des untergetauchten Terrortrios«, heißt es in einem Flugblatt, das die Naturfreunde vor dem Haus der Pressekonferenz verteilten. Schließlich holten die mit Trenchcoats und Schlapphüten verkleideten Aktivisten aus einem mit Ketten gesicherten Aktenschrank das »dunkele Kapitel« hervor.

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