SPD-Gesellschaft macht mit beim Jobkillen

Zeitungskonzern in Niedersachsen baut 170 Stellen ab - Regierungschef Weil befürchtet Schaden für seine Partei

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Niedersachsens Ministerpräsident und SPD-Chef Stephan Weil ist verärgert: Ausgerechnet ein Zeitungskonzern, an dem seine Parteibeteiligt ist, baut 170 Arbeitsplätze ab. Ver.di kündigt Widerstand an.

Seitenlang singt die SPD in ihrem Grundsatzprogramm das hohe Lied vom Wert des Arbeitsplatzes, vom Recht auf gute Arbeit für alle, und eine Wahlkampfbroschüre trommelt dazu: »Die SPD ist die Partei der Arbeit - seit 150 Jahren.« Den Wahrheitsgehalt jener schönen Sätze dürften derzeit rund 170 Menschen in Niedersachsen bezweifeln. Sie verlieren ihre Arbeitsplätze bei der Mediengruppe Madsack, einem Konzern, an dem die SPD nicht unwesentlich beteiligt ist und infolge dessen für Entscheidungen des Unternehmens Mitverantwortung trägt.

Mit dem Jobverlust müssen die Betroffenen Anfang 2017 rechnen. Dann schließt Madsack seine Druckerei in Hannover, wo zurzeit noch die »Hannoversche Allgemeine Zeitung« und das Schwesternblatt »Neue Presse« entstehen. Das Unternehmen lässt dann außerhalb drucken, bei der Firma Oppermann im Städtchen Rodenberg, gut 30 Kilometer südlich der Landeshauptstadt gelegen.

Die Konzernleitung der Mediengruppe Madsack, deren 4400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Jahresumsatz von gut 670 Millionen Euro erwirtschaften, rechtfertigt ihren Schritt mit dem Zustand der in den 1970er Jahren eingerichteten Druckerei. Sie sei nach heutigen Maßstäben veraltet, Investitionen in die Anlage wären unwirtschaftlich, zumal sie überdimensioniert sei, denn: Das Druckvolumen sei, vor allem durch weniger Fremdaufträge, von mehr als einer Million auf 300 000 Exemplare zurückgegangen.

Der anstehende Abbau der Arbeitsplätze solle »so sozial wie möglich« gestaltet werden, verspricht Konzernchef Thomas Düffert und klagt: Der Verlust von 170 Stellen sei »schmerzlich und traurig«.

Nicht nur traurig, sondern offensichtlich verärgert über die Madsack-Pläne ist Stephan Weil, Ministerpräsident Niedersachsens und zugleich Landesvorsitzender der SPD. Ein von der Partei mit getragenes Unternehmen entlässt nahezu 200 Menschen, Wählerinnen und Wähler - das hat nach Medienberichten auch Bundes- und Landtagsabgeordnete der SPD erzürnt.

Sichtbar wird das SPD-Engagement an dem Zeitungskonzern in der Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG). Sie ist mit 23,1 Prozent an Madsack beteiligt. Mit in ihrer Geschäftsführung sitzt der ehemalige Europa- und Justizminister Schleswig-Holsteins, Gerd Walter (SPD). Es sei ihr Ziel, so informiert die DDVG auf ihrer Homepage, »einen finanziellen Beitrag zur Arbeit der SPD zu leisten«.

Eher einen schädlichen Beitrag zur Arbeit der Partei leistet die Entscheidung des Madsack-Konzerns nach Ansicht von Stephan Weil, geht aus einer Stellungnahme des SPD-Landesvorsitzenden hervor. Er könne insbesondere das Verhalten der DDVG nicht akzeptieren, betont der Politiker und schimpft: Die Vergabe der Druckaufträge nach außen sei Tarifflucht. Denn das Unternehmen in Rodenberg ist nicht tarifgebunden. Es sei nicht hinnehmbar, »dass die DDVG mitwirkt an einem auf Tarifflucht abzielenden Geschäftsmodell«, während die SPD stets genau davor warne und Tariftreue einfordere. Der Vorgang »beschädigt die Glaubwürdigkeit der SPD insgesamt«, konstatiert der Parteichef. Die niedersächsischen Sozialdemokraten, so Weil, »unterstützen die Forderung der Gewerkschaft ver.di nach einem Sozialplan, der insbesondere auch Perspektiven für eine Weiterbeschäftigung bietet«.

Ver.di-Fachbereichsleiter Lutz Kokemüller kündigt an: »Die betroffenen Beschäftigten sind zu mehr als 90 Prozent bei uns organisiert. Sie werden die geplante Schließung nicht einfach so hinnehmen.«

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