Tschaikowsky und die Stille

Musikfest im Norden

  • Thomas Morell
  • Lesedauer: 3 Min.

Hamburg ist bedeutend besser als Berlin«, schrieb der russische Komponist Peter Iljitsch Tschaikowsky (1840-1893) in seinem Hotelzimmer am Hamburger Jungfernstieg. »Denn erstens habe ich vom Balkon aus eine köstliche Aussicht und zweitens gibt es da viel mehr Amüsements.« Tschaikowsky steht im Mittelpunkt des diesjährigen Schleswig-Holstein Musik Festivals, das am Sonntag in Lübeck eröffnet wird. Anlass ist der 175. Geburtstag des Komponisten in diesem Jahr. Im Laufe seines Lebens hat Tschaikowsky eine enge Beziehung zu Hamburg und auch zu Lübeck entwickelt.

Sechs Hamburg-Besuche des Komponisten sind bekannt, der erste mit 21 Jahren, als er noch Sekretär im Justizministerium von St. Petersburg war. Jahre später reiste Tschaikowsky am 11. Januar 1888 auf Einladung der Philharmonischen Gesellschaft das erste Mal als Dirigent nach Hamburg. Doch schon einen Tag später machte er sich auf den Weg nach Lübeck. Er wolle sich »einige Tage irgendwo verbergen, um in der Einsamkeit frei zu sein, mich auf mich selbst zu besinnen und für die kommenden Qualen mit Geduld zu wappnen«. Mit den »Qualen« war sein Gastspiel in Hamburg gemeint, wo er unter anderem sein heute so populäres 1. Klavierkonzert dirigieren sollte.

In Lübeck lobte Tschaikowsky vor allem das »schöne, elektrisch erleuchtete« Stadttheater mit »vollkommenem Komfort und vollkommener Sicherheit«. Offensichtlich hat es ihm hier gut gefallen. »Lübeck ist eine sehr nette Stadt, das Hotel ist großartig und ich genieße unaussprechlich die Stille und Ruhe.« Der Aufenthalt »hat auf mich einen außergewöhnlich wohltuenden Einfluss«.

Pech nur, dass der bekannte Komponist am dritten Tag im Stadttheater erkannt wurde. »Man schleppte mich ans Buffet, veranlasste mich, Bier zu trinken, und so ging es immer weiter.« Erträglich wäre es ihm allenfalls gewesen, nur Zuhörer sein zu dürfen. »Ich litt und ärgerte mich schrecklich.« Doch dann raffte er sich auf, lehnte das Abendessen im Club entschieden ab und erklärte sich für krank. »Trotzdem begleitete man mich bis zu meinem Quartier.« Es sollte der einzige Besuch in Lübeck bleiben.

Ein Jahr nach dem ersten Auftritt dirigierte Tschaikowsky in Hamburg am 15. März 1889 die deutsche Erstaufführung seiner 5. Sinfonie, die dem Vorstandsmitglied der Philharmonischen Gesellschaft, Theodor Avé-Lallemant, gewidmet war. Weitere Hamburg-Besuche gab es 1893 zur deutschen Erstaufführung seiner Oper »Eugen Onegin« mit dem Dirigenten Gustav Mahler und zur Wiederaufnahme seiner Oper »Jolanthe«. Zwei Monate später starb Tschaikowsky.

Seit fünf Jahren hat Hamburg im Karo-Viertel auch einen Tschaikowsky-Platz, auf dem die russisch-orthodoxe Kirche steht. Das Tschaikowsky-Haus der Gemeinde möchte vor allem deutsch-russische Kulturprojekte fördern. In der Laeiszhalle steht eine Porträt-Skulptur. epd/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal