Mut wird belohnt - Arbeitskämpfe der Zukunft?

Streiks für die Mitgestaltung von Arbeitsbedingungen werden wieder wichtiger - mit Beteiligung der Streikenden

  • Marcus Schwarzbach
  • Lesedauer: 3 Min.
Die sich im Zuge technologischer Weiterentwicklungen verändernden Arbeitsbeziehungen fordern auch neue Strategien von Gewerkschaften und Betriebsräten.

Die Tarifrunde der Lokführergewerkschaft GDL war keine reine Lohnrunde. Die Arbeitsbelastung der Beschäftigten spielte eine große Rolle. Auch deshalb ist die GDL mit Forderungen nach Tarifverträgen nicht nur für die Lokführer auf erbitterten Widerstand von Bahnvorstand und Regierungspolitikern gestoßen. »Ein wichtiger Erfolg ist die Senkung der Belastung des Zugpersonals«, betont GDL-Chef Weselsky zurecht. Überstunden werden begrenzt, 2018 Arbeitszeit verkürzt und 300 Lokomotivführer zusätzlich eingestellt.

Der GDL-Abschluss zeigt: Es geht wieder um den Inhalt der Arbeit. Er knüpft an eine große Tradition an. Denn Tarifpolitik ist immer auch ein Instrument zur Mitgestaltung der Arbeitsbedingungen. So in den 1980er Jahren der Lohnrahmentarifvertrag II der IG Metall in Nordwürttemberg-Nordbaden. Bezahlte Erholungspause oder Taktzeitbeschränkung am Fließband beugten Stress am Arbeitsplatz vor.

Auch beim Streik von ver.di in der Berliner Charité geht es um Arbeitsbedingungen. Nach dem Eckpunktepapier zum Tarifvertrag »Gesundheit und Demografie« sollen Mindestbesetzungsstandards gelten. Es soll also mehr Personal eingestellt werden - als Ergebnis des Streiks.

Die Arbeitsbedingungen werden auch zukünftig ein wichtiges Thema bleiben - das Stichwort »Industrie 4.0« verdeutlicht mögliche Entwicklungen. Bedeutsam in der Praxis sind cyber-physische Systeme (CPS). Dabei steuern sich intelligente Maschinen, Betriebsmittel und Lagersysteme in der Produktion eigenständig.

Während die Bundesregierung das Thema nur als Frage der Wirtschaftsförderung sieht, ändern sich Arbeitsplätze und die Arbeitsorganisation radikal. Für die Belegschaften bedeutet dies zunehmende Kontrolle und verstärkten Leistungsdruck. Die Arbeitnehmer können weit weniger Daten verarbeiten und weniger Komplexität berücksichtigen als Maschinen. Gleichzeitig tragen Menschen in hybriden Systemen eine hohe Verantwortung, während sie zugleich der Technologie unterlegen sind. Es geht um die entscheidende Frage, ob die letztendliche Entscheidung beim Menschen bleibt.

So verstanden bedeutet Industrie 4.0 nicht weniger als den Abschied von bisherigen Schwerpunkten der industriellen Produktion. Zentrale Steuerung verliert an Bedeutung. Entscheidungen darüber, was zu welchem Zeitpunkt an welchem Ort und mit welchen Werkzeugen gefertigt wird, fallen künftig technologisch automatisiert an vielen Stellen direkt in der Produktion.

Gewerkschaften und Betriebsräte sind gefordert, die Arbeitsbedingungen der Industrie 4.0 über Tarifverträge zu regeln und Mindeststandards - etwa Mindestanzahl der Beschäftigten oder die Letztentscheidung der Arbeiter beim Verhältnis Mensch-Maschine - sicher zu stellen. Ein Positionspapier der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung fordert »überbetriebliche Arbeitskreise«, um konkrete Forderungen der Gewerkschaften zu erarbeiten.

In der Industrie 4.0 werden durch verstärkten Technikeinsatz Arbeitsplätze abgebaut - und der Leistungsdruck für die weiterhin Beschäftigten zunehmen. So wird auch Arbeitszeitverkürzung wieder ein Thema werden müssen. Beim Post-Streik ging es der Gewerkschaft ver.di ebenfalls anfangs um eine Verkürzung der Arbeitszeit auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich, da der Leistungsdruck bei Brief- und Paketausträgern in dem letzten Jahren enorm zugenommen hat.

Die aktuellen Beispiele zeigen aber: Erfolgreich werden die Gewerkschaften aber nur sein, wenn sie zu Streiks bereit sind und die Beschäftigten an Streikplanungen und Strategieentscheidungen beteiligt werden.

Marcus Schwarzbach, Berater für Betriebsräte, Kaufungen

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