»Rhetorische Brandstiftung«

SPD und Grüne schockiert über CSU-Asylpolitik

  • Lesedauer: 4 Min.
Die CSU-Beschlüsse zur Asylpolitik stoßen bei SPD und den Grünen auf harsche Kritik. Seehofer wird vorgeworfen, mit dem Vorschlag der Einteilung von Flüchtlingen in zwei Klassen rhetorische Brandstiftung zu betreiben.

Update 15.35 Uhr: Menschenrechtsinstitut kritisiert Bayerns Asylpolitik
Das Deutsche Institut für Menschenrechte verurteilt die Pläne der bayerischen Landesregierung, Asylsuchende aus dem Westbalkan in Spezialeinrichtungen unterzubringen. Eine Absonderung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft sei diskriminierend, teilte die Einrichtung am Dienstag in Berlin mit. Das Asylrecht stehe als Individualrecht jedem zu. Dieser Ansatz werde jedoch in den Plänen des Freistaats missachtet.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte am Montag mit seinem Kabinett beschlossen, eine grenznahe Sonderunterbringung für Flüchtlinge aus den West-Balkanländern einzurichten. Die Bearbeitung der Asylanträge und die Abschiebung der Antragstellenden aus dem Balkan würde dadurch schneller abgehandelt. Das Menschenrechts-Institut sieht darin einen Verstoß gegen die Menschenrechte und fordert menschenwürdigere Aufnahmebedingungen.

Update 15.20 Uhr: Wirtschaft fürchtet Nachteile wegen Angriffen auf Heime
Der Präsident des Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, sagte der »Saarbrücker Zeitung« vom Dienstag, Deutschland brauche eine Willkommenskultur, die in der Gesellschaft verankert sei. »Denn die Unternehmen sind immer stärker auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen.«

Update 13 Uhr: Seehofer weist Kritik zurück
CSU-Chef Horst Seehofer wies am Dienstag Kritik von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) am CSU-Kurs gegenüber bestimmten Flüchtlingen entschieden zurück. »Das Problem dieses Ministers besteht offensichtlich darin, dass er von den Lebensrealitäten etwas entfernt ist«, sagte Seehofer nach einer Klausur des bayerischen Kabinetts am Tegernsee. Er wolle dem SPD-Bundesminister folgendes sagen: »Es gibt für die Praxis in der Politik keinen Ersatz. Wir sind nicht im Labor tätig.«

Maas hatte Seehofers Vorwurf des massenhaften Asylmissbrauchs scharf kritisiert: »Schrille Töne wie etwa aus Bayern, den Flüchtlingen per se massenhaften Asylmissbrauch zu unterstellen, verschärfen die Debatte dabei in unverantwortlicher Weise.«

Update 12.15 Uhr: CSU-Generalsekretär: »An den Grenzen stehen 60 Millionen Flüchtlinge«
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer hat in der Flüchtlingsdiskussion zu rhetorisch besonders drastischen Mitteln gegriffen. Der »Passauer Neuen Presse« (Dienstag) sagte er: »An den Grenzen stehen 60 Millionen Flüchtlinge. Wie sollen wir dieser Massen Herr werden? Wir können nicht die ganze Welt retten.« Zudem sagte er, der Druck sei durch »den nicht abreißenden Zuzug von Flüchtlingen übergroß und kaum noch auszuhalten«. Außedem fragte er: »Wie sieht es zum Beispiel aus mit Strafen bei Asylmissbrauch?«

»Rhetorische Brandstiftung«

Berlin. Die Flüchtlingspolitik der CSU stößt beim Koalitionspartner SPD auf Kritik. »Das sind alles nur Aktionen, um am Stammtisch zu punkten«, sagte der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstagsausgabe) über die Forderungen von CSU-Chef Horst Seehofer nach einer strikteren Flüchtlingspolitik. Der bayerische Ministerpräsident versuche, mit Rechtspopulisten in Wettstreit zu treten. »Herr Seehofer dürfte wissen, dass Schikanen von Flüchtlingen in einer Bundesregierung mit der SPD nicht zu machen sind«, sagte Stegner.

Der SPD-Vize warnte davor, mit scharfen Tönen Gewalt gegen Flüchtlinge zu befördern. »Den realen Brandstiftungen gehen meistens rhetorische Brandstiftungen vorweg«, sagte Stegner. Ihm pflichtete Grünen-Chef Cem Özdemir bei: »Seriöse Politiker sollten keinerlei Nährboden für Extremisten bereiten, sondern Feinde der Demokratie entschieden bekämpfen«, sagte er der Funke-Mediengruppe.

Die grüne Fraktionschefin Göring-Eckhardt nannte Seehofers Rhetorik in der »Stuttgarter Zeitung« (Dienstagsausgabe) »menschenverachtend«. Derzeit würden »Asylsuchende verprügelt, es brennen Heime - auch in Bayern« und der CSU-Chef fordere eine »Abschreckungspolitik«. »Das ist nicht nur Populismus. Das ist Zynismus und geht weit über das hinaus, was ich ertragen kann«, kritisierte Göring-Eckhardt.

Die bayerische Staatsregierung will Flüchtlinge künftig bereits bei ihrer Ankunft in zwei Gruppen unterteilen: diejenigen mit Schutzbedürftigkeit und diejenigen ohne Bleibeperspektive. Nach einem Beschluss des bayerischen Kabinetts vom Montag sollen für letztere Gruppe zwei neue Erstaufnahmeeinrichtungen in Grenznähe entstehen. Seehofer zufolge sollen dorthin Menschen aus »sicheren Herkunftsländern« und den Balkan-Ländern gebracht werden. Die Asylverfahren dort sollen in der Regel nach zwei Wochen bereits entschieden sein.

Seehofer sagte am Montag laut Kabinettsbericht, dass der Freistaat angesichts des »dramatischen Anstiegs« der Asylbewerberzahlen an die Grenzen seiner Belastbarkeit stoße. Dies gelte in organisatorischer, in personeller und in finanzieller Hinsicht. »Daher gilt es jetzt massiv entgegenzusteuern«, betonte der CSU-Chef. nd/Agenturen

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