Mit wehendem Fähnchen in Untersuchungshaft

Nach Protest gegen Pegida in München wurde ein Antifaschist festgenommen, weil Polizisten seine Fahne als Waffe einstuften

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 3 Min.
Bayern will das Versammlungsgesetz verschärfen. Doch schon heute ist Protestieren im Freistaat für Linke eine heikle Angelegenheit. Montag wurde ein Teilnehmer einer Anti-Pegida-Kundgebung in Untersuchungshaft geschickt.

Nach ihrer Niederlage beim Betreuungsgeld kann sich die CSU wieder ihren Kernkompetenzen widmen: Das ist neben der Stimmungsmache gegen Flüchtlinge etwa Law-and-Order-Politik. Noch dieses Jahr soll in Bayern das Versammlungsgesetz verschärft und die Vermummung bei Demonstrationen - bisher eine Ordnungswidrigkeit - als Straftat gewertet werden. Möglich sind dann Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr.

Gerade das Bundesland, das ohnehin schon jede aktivere Demonstration in Polizeispaliere verweist, plant weitere Verschärfungen. Zuletzt hatten beim G7-Gipfel 20 000 Polizisten 5000 Demonstranten gegenübergestanden. Und ähnlich wie bei der Flüchtlingsfrage wurde zuvor rhetorisch aufgerüstet und ein Mantra von »3000 gewaltbereiten Chaoten« gebetet.

Kräftig hingelangt hat auch ein Münchner Untersuchungsrichter am vergangenen Montag: Er schickte einen 24-jährigen Teilnehmer einer Anti-Pegida-Kundgebung in Untersuchungshaft, wo der junge Mann bis heute sitzt. »Komplett unverhältnismäßig«, kritisiert Markus Fischer, Rechtsanwalt des Inhaftierten. Er hat Haftprüfung beantragt und hofft, dass diese innerhalb von zwei Wochen behandelt wird. Unterstützer riefen für Freitagabend zu einer Solidaritätskundgebung vor das Untersuchungsgefängnis Stadelheim.

An besagtem Montag hatte sich Pegida vor dem Rathaus zu versammelt, als Schmankerl wurde den 150 Teilnehmern der »Lutz« angekündigt - Pegida-Gründer Lutz Bachmann aus Dresden. Seine rede ging in einem Pfeifkonzert von 1300 Gegendemonstranten unter. Mit dabei war auch der 24-Jährige. Der wurde gegen 20.30 Uhr von Zivilpolizisten aufgehalten und wegen »Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz« festgenommen. Der Grund: Er führe eine sogenannte Knüppelfahne mit sich, die als Bewaffnung gewertet werde.

Gewalttaten werden dem Mann nicht vorgeworfen. Dennoch ordnete der Richter wegen »Fluchtgefahr« Untersuchungshaft an. Rechtsanwalt Fischer findet das absurd: Zwar habe der Beschuldigte angegeben, er sei derzeit ohne Wohnsitz, er sei aber bei seiner Mutter gemeldet. Hätte es nicht andere Möglichkeiten gegeben, das Verfahren zu sichern?

Bei dem Delikt handele es sich um eine Lappalie, die in der Regel mit einer Geldstrafe belegt werde, so der Anwalt. Nun aber könne die Untersuchungshaft bis zum Prozessbeginn dauern, womöglich ein halbes Jahr.

Der Unterstützerkreis des Verhafteten spricht von einer »Inhaftierung eines Aktivisten unter fadenscheinigen Vorwänden«, die als »Gipfel einer Welle von Repression gegen Antifaschisten bei den Protesten gegen Pegida-München« zu sehen sei. Zugleich könnten »verurteilte Rechtsterroristen und gewaltbereite Neonazis fast unbehelligt Journalisten und Linke bedrohen, angreifen und verprügeln.«

Das Münchner Bündnis gegen Naziterror und Rassismus verurteilt die Festnahme und die Untersuchungshaft: »Die jüngste Repressionsmaßnahme der Polizei gegen Pegida-Gegner ist unerträglich. Demonstrantinnen und Demonstranten, die demokratische Werte gegen die rassistische Hetze von Pegida und Co. verteidigen«, würden »von der Polizei zum Feindbild erklärt«. Man fordere »die sofortige Freilassung des Demonstranten und ein Ende der Repressionsmaßnahmen gegen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Proteste gegen Pegida«, sagte ein Sprecher.

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