Krise kratzt an Vertrauen in den Kapitalismus

Griechenland: Krise kostete im Mittelstand rund 700 000 Jobs / Berlin: Athen soll noch mehr entlassen

  • Vincent Körner
  • Lesedauer: 2 Min.
Vor allem in Südeuropa glauben immer weniger Menschen den Glücksversprechen des Kapitalismus. Woran das liegt, kann man derzeit vor allem in Griechenland beobachten.

Die seit 2008 grassierende Krise und die politischen Reaktionen darauf machen sich im allgemeinen Bewusstsein der Europäer bemerkbar. »Vor allem in Südeuropa hat seit der Jahrtausendwende ein dramatischer Vertrauensverlust in die staatlichen Institutionen eingesetzt«, berichtet die »Welt am Sonntag« unter Berufung auf eine Studie des unternehmensnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

Aber nicht nur in Griechenland, Spanien und Portugal, sondern auch in Frankreich, Großbritannien und Spanien würden die Bürger »immer weniger an das demokratische System und die liberale Wirtschaftsordnung« glauben. Man könnte auch sagen: an die real existierende Politik und den Krisenkapitalismus.

Der Grünen-Europapolitiker Sven Giegold sprach von einer »brandgefährlichen Quittung für die unsoziale Krisenpolitik«. IW-Chef Michael Hüther wird mit den Worten zitiert: »Es gibt einen Teufelskreis aus ökonomischer Krise und Misstrauen in die Politik.« Die IW-Forscher hatten 20 europäische Länder untersucht und sich auf internationale Umfragen und statistische Daten im Zeitraum von 2000 bis 2014 bezogen. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch schon andere Studien.

Warum das Ansehen von Institutionen und Gesellschaftssystem einbricht, lässt sich nicht zuletzt in Griechenland beobachten. Dort mussten in den letzten sieben Jahren rund 229 000 kleine und mittlere Betriebe schließen, rund 700 000 Arbeitsplätze gingen dabei verloren. Dies berichtete die Athener Zeitung »Kathimerini« unter Berufung auf eine Studie des Zentrums für Planung und Wirtschaftsforschung. Die Krise habe die strukturellen Probleme kleiner und mittlerer Unternehmen in Griechenland noch verstärkt, heißt es in dem Bericht - vor allem wegen der hohen Abhängigkeit der Betriebe von der Inlandsnachfrage, die durch die von den Gläubigern verlangten Kürzungsmaßnahmen, durch Jobabbau und Verarmung eingebrochen ist.

Die Bundesregierung fordert dennoch weitere Massenentlassungen in Griechenland. Wie der »Spiegel« unter Berufung auf die Antwort des Bundesfinanzministeriums berichtet, pocht die Koalition auf die Umsetzung von Maßnahmen durch die SYRIZA-geführte Regierung »im Bereich der Arbeitsmärkte in Griechenland« - wobei ausdrücklich »Massenentlassungen nach dem mit den Institutionen vereinbarten Zeitplan und Ansatz« genannt sind.

Derweil geraten die Gespräche über ein neues Kreditprogramm für Griechenland bereits jetzt unter Zeitdruck. Die Verhandlungen, welche die SYRIZA-geführte Regierung bereits Freitag starten wollte, beginnen zwar am Montag, doch zunächst nur auf unterer Ebene. Am 20. August muss Athen knapp 3,2 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank überweisen. Im September werden weitere 1,5 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds fällig. Seite 16

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