Ein Dreyfus?

  • Ingolf Bossenz
  • Lesedauer: 2 Min.

Politische Prominenz in Israel und den USA setzt sich seit Jahren für wie auch gegen ihn ein. Jonathan Pollard spaltet die öffentliche Meinung. Der 60-Jährige, der die Hälfte seines Leben in US-Haft verbrachte, gilt den einen als patriotischer Märtyrer, den anderen als geldgieriger Verräter.

1985 war der damalige Nachrichtenoffizier der US-Kriegsmarine festgenommen worden, weil er streng geheime Dokumente an Israel weitergegeben hatte. Er bekannte sich vor Gericht schuldig und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Er sitzt nach wie vor ein im Federal Correctional Complex, Butner. Dieses Bundesgefängnis in North Carolina, so erwägt das US-Justizministerium laut Medienberichten, soll Pollard am 21. November endgültig verlassen. Die Begnadigung würde dann nach exakt 30 Jahren Haft eintreten, so, wie es das Gesetz zulässt.

Damit ginge eine jahrzehntelange Auseinandersetzung zwischen den USA und Israel, aber auch innerhalb der beiden Staaten zu Ende. Denn die Delikte Pollards wurden ebenso wie deren Folgen extrem kontrovers bewertet. Während sich israelische Regierungen vehement für seine Freilassung einsetzten (Pollard ist seit 1996 israelischer Staatsbürger), schmetterten die US-Präsidenten Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama ein solches Ansinnen ab - sekundiert von maßgeblichen Politikern ihrer Administrationen. So soll CIA-Chef George Tenet 1998 sogar mit seinem Rücktritt gedroht haben, falls der Spion freikommt.

Ob von Pollard an Israel gelieferte Informationen auch an die Sowjets gelangten und so enttarnte US-Agenten das Leben kosteten, ob er zudem noch andere Abnehmer hatte, wurde öffentlich nie geklärt. Seine Fürsprecher gingen immerhin so weit, seinen Fall in eine Reihe mit dem des jüdischen französischen Offiziers Alfred Dreyfus Ende des 19. Jahrhunderts zu stellen. In Jerusalem trägt ein Platz Pollards Namen.

Immer wieder war der Agent auch als »Verhandlungsmasse« im Spiel, um die Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern voranzubringen. Doch daraus wurde nie ein tatsächlicher Deal.

- Anzeige -

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -