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Laiendolmetscher übersetzen im Landesamt für Geflüchtete

Der Bedarf an Übersetzern für Flüchtlingsbelange in der Hauptstadt ist enorm, die Arbeitsbedingungen für die Sprachmittler sind widrig

  • Claudia Kornmeier
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenn Flüchtlinge kurz nach ihrer Ankunft mit Behörden, einem Arzt oder Vermieter sprechen wollen, dann funktioniert das selten ohne Dolmetscher. Doch wie viel Professionalität braucht es dabei?

»Russisch, arabisch, persisch!« Eine Mitarbeiterin ruft die Sprachen in den Raum, die gerade gebraucht werden. Der passende Dolmetscher springt auf und läuft quer durch das Hochhaus in Moabit - dorthin, wo das Anliegen eines Flüchtlings bearbeitet und die Sprachbarriere gerade unüberwindbar wird. So erzählt es die Kunststudentin Natalia Ali.

Die 29-Jährige dolmetscht für das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) - die erste Anlaufstelle für Flüchtlinge in der Hauptstadt. Wie sie sind viele der dort tätigen gut 100 Sprachmittler keine Profis. Aus Sicht des Bundesverbands der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) ist das eine kritische Entwicklung: Ein Fehler könne für Flüchtlinge fatale Folgen haben. Für Profis aber fehlt den Kommunen das Geld.

Bevor Ali zum LAGeSo kam, hat sie schon bei anderen Beratungsstellen arabisch und russisch gedolmetscht. Die junge Frau aus Syrerin begleitete die Leute zum Jobcenter, Arzt oder zur Wohnungsbesichtigung - teilweise ehrenamtlich, teils honoriert. Es war ihre Vorbereitung auf den Job. Eine weitere Einführung gab es nicht, lediglich eine Begleitung durch erfahrene Kollegen. Das beobachtet der Übersetzerbund mit Sorge: Ohne Vor- und Nachbereitung für Flüchtlinge zu dolmetschen, könne Laien überfordern. Gerade wenn es um medizinische und juristische Fragen gehe, sollten nur Profis eingesetzt werden.

Das Gefühl der Überforderung kennt Ali. Für eine Beratungsstelle, die Privatwohnungen an Asylbewerber vermittelt, muss sie den Flüchtlingen häufig erklären, was in den Mietverträgen steht. Selbst für Muttersprachler dürfte das eine Herausforderung sein.

Ali lernte die korrekte Übersetzung der Fachbegriffe, merkte aber: Häufig kann ihr Gegenüber damit nichts anfangen. Wenn sie ins Russische übersetzt, hat die Studentin Tschetschenen, Ukrainer oder Moldawier vor sich - russisch ist deren zweite Sprache. Statt einen Fachbegriff korrekt zu übertragen, sei es dann viel wichtiger, den Leuten zu erklären, worum es eigentlich gehe, erzählt die Syrerin. Spricht sie etwa vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, sagt Ali, »das ist der Ort, wo Ihnen Fingerabdrücke genommen werden«. Erst dann verstünden die Leute, was gemeint ist.

Genau deshalb setze das LAGeSo in Berlin auf Sprachmittler, heißt es von der Behörde. »Dolmetscher übersetzen wortgenau.« Gebraucht würden aber Leute, die auch kulturelle Unterschiede vermittelten. Ab und zu braucht es das tatsächlich, erzählt Ali, die Syrien noch vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs verließ. Die meisten Landsleute, die sie bei ihrem Job trifft, freuten sich einfach, mit ihr ein bisschen über die Heimat reden zu können. Aber manche dächten auch, sie könnten die Dinge nun wie zu Hause lösen - mit ein bisschen Bestechung. Das Angebot übersetzt Ali dann nicht, stattdessen erklärt sie, dass Korruption in Deutschland die Mitarbeiter der Behörde den Job kosten kann.

Von der Kultur des fremden Landes haben in der Regel aber auch professionelle Dolmetscher eine Ahnung. Ihr Nachteil für die Behörden ist vor allem ihr Preis: Studenten wie Ali bekommen in Berlin 13 Euro die Stunde. Nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, das nach dem Willen des BDÜ auch beim Einsatz professioneller Dolmetscher bei Behörden gelten soll, werden ab 70 Euro die Stunde fällig. Hinzu kommen etwa Fahrtkosten. Eine Lösung könnte das Videodolmetschen sein, sagt der BDÜ. In Potsdam gibt es das seit Anfang Juli.

Beim LAGeSo ist in den Beratungsräumen dagegen meist die Hölle los, wie Ali sagt. Die Tische der Mitarbeiter stehen eng beieinander, Flüchtlinge und Sprachmittler drängen sich auf einer Seite. An die Wand gelehnt warten die nächsten. Kinder springen herum und spielen auf dem Boden. Ein Gespräch in normaler Lautstärke ist nicht möglich. Wer gehört werden will, muss die Stimme erheben. Videokonferenzen muten da fast noch futuristisch an. dpa

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