Landesverrat ist eine Frage der Solidarität

Das Vorgehen des Generalbundesanwaltes gegen netzpolitik.org ist ein politischer Skandal. Wir protestieren dagegen und veröffentlichen ebenfalls die Geheimdienstdokumente

  • Lesedauer: 2 Min.

Generalbundesanwalt Harald Range ist also doch noch handlungsfähig. Zwar weigert er sich seit Längerem hartnäckig, Ermittlungen wegen der massenhaften Überwachung deutscher Bürger, Politiker und Unternehmen durch den US-Geheimdienst NSA einzuleiten. In einem anderen, ganz artverwandten Fall hat Range aber nun seine Bürostarre überwunden: Er ermittelt gegen das Internetblog netzpolitik.org, konkret gegen dessen Gründer und Chefredakteur Markus Beckedahl und seinen Kollegen André Meister. Der Vorwurf an die Netzjournalisten: publizistischer Landesverrat. Einen so großen Holzhammer hat Bundesanwaltschaft seit mehr als drei Jahrzehnten nicht mehr herausgeholt.

Was ist passiert? Netzpolitik.org, das sich für digitale Freiheitsrechte einsetzt, hat interne Haushaltsplanungen des Verfassungsschutzes veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass der Geheimdienst mit einer Vielzahl neuer Mitarbeiter umfassend die sozialen Netzwerke im Internet überwachen will. Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen erstattete daraufhin Anzeige, Range reagierte. Zwar lässt er der »Frankfurter Allgemeine Zeitung« zufolge das Verfahren gleich wieder ruhen, weil ihm plötzlich das Stichwort Pressefreiheit eingefallen ist; nun soll ein Gutachten klären, ob überhaupt Staatsgeheimnisse verletzt wurden. Doch das sieht nach einer Finte aus, von einem Gutachten war auch gestern schon die Rede. Die schwere Drohung gegenüber netzpolitik.org und der freien Presse insgesamt bleibt bestehen.

Das Ermittlungsverfahren gegen die Blogger hat scharfe Kritik aus Politik, Medien und Juristenkreisen ausgelöst. Demonstrativ erklärte sich Essener Recherchebüro Correctiv solidarisch mit netzpolitik.org und stellte die Verfassungsschutz-Dokumente auch ins Netz. Die Ermittlungen gegen Beckedahl und Meister seien »eine Attacke auf alle Medien«. Correctiv kündigte an, in dieser Sache Selbstanzeige beim Generalbundesanwalt zu stellen und rief andere Medien dazu auf, sich anzuschließen.

Auch »neues deutschland« hat sich entschlossen, Landesverrat zu begehen. Wir sind solidarisch mit netzpolitik.org und veröffentlichen ebenfalls die von den Kollegen geposteten Dokumente, damit sich die Leserinnen und Leser ein Bild machen können: Erstens darüber, in welchem Ausmaß der Verfassungsschutz Grundrechte beschneiden will, die er eigentlich schützen sollte. Und zweitens darüber, was in den Behörden der Herren Maaßen und Range für verfolgungs- und strafwürdig gehalten wird – Zivilcourage und Aufklärung der Bevölkerung.

Redaktion »neues deutschland«

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal