Polen vor dem Wahlgetümmel

Nach der Amtseinführung des Präsidenten rücken zwei Kandidatinnen nach vorn

  • Holger Politt, Warschau
  • Lesedauer: 3 Min.
Polen bekommt seinen neuen Präsidenten, doch die Gemüter haben sich vorerst beruhigt. Erst nach den langen Sommerferien werden die Wellen wieder hochschlagen. Dann geht es in den Wahlkampf.

Nach der Amtseinführung des neuen polnischen Präsidenten Andrzei Duda am Donnerstag und der Sommerpause rücken die Parlamentswahlen im Herbst in den Mittelpunkt. Ganz vorne kämpfen die seit 2007 regierenden Wirtschaftsliberalen der PO (Bürgerplattform) und die Nationalkonservativen von PiS (Recht und Gerechtigkeit) um die Siegespalme. Im Rennen zwischen Amtsinhaberin Ewa Kopacz und Herausforderin Beata Szydło wird ausgemacht, wer künftig das Regierungsruder in die Hand nehmen wird.

In Umfragen liegt durchgehend PiS vorne, mitunter sogar mit einem Vorsprung von über zehn Prozentpunkten. Doch selbst die besten Umfrageergebnisse verheißen für PiS noch immer keine Alleinregierung, und hier liegt der Hund begraben: Denn ohne Koalitionspartner werden alle Regierungsträume am Wahlabend wohl zerplatzen wie Seifenblasen.

Zwar hat PiS dem Wahlvolk allerhand versprochen, etwa die Einführung eines gesetzlichen Kindergeldes in Höhe von über 120 Euro ab zweitem Kind oder die Senkung des gesetzlichen Einstiegsalters für die Rente auf 65 Jahre. Doch das wird nicht reichen, um alleine regieren zu können. Ob die rechtskonservativen Hiebe gegen die »Gender-Ideologie« viel helfen werden, ist fraglich. Die PO hingegen setzt weiter auf die wirtschaftsfreundliche Grundstimmung im Land. Die könnte im Verein mit einer sich auffallend bürgernah gebenden Spitzenkandidatin helfen, wenigstens 30 Prozent zu sichern.

Nach den Präsidentschaftswahlen im Mai dieses Jahres schien es, als sei mit der Bewegung des Rechtspopulisten Paweł Kukiz doch ein künftiger Koalitionspartner für PiS in Sicht. Mit kreuzgefährlichen Losungen, die aus der Ablehnung des Runden Tisches von 1989 und seiner Folgen keinen Hehl machen, erreichte Kukiz in Umfragen hohe zweistellige Zahlen. Er überholte manchmal gar die PO.

Insbesondere jüngere Wähler schienen fasziniert von diesem politischen Hochstapler, der ihnen die Lösung der materiellen und sozialen Probleme mit einfachsten Mitteln offeriert. An erster Stelle steht dabei die geforderte Einführung eines Mehrheitswahlrechts, so dass nur noch die jeweiligen Wahlkreisgewinner in den Sejm einziehen würden. Kukiz hält das für den Weg, die ihm verhasste Parteienherrschaft zu brechen. Doch weist die Tendenz für die Kukiz-Leute stärker nach unten. Es bleibt abzuwarten, ob das vom scheidenden Staatspräsidenten Bronisław Komorowski für Anfang September ausgerufene Referendum zur Wahlrechtsreform daran etwas ändern wird.

Einen Kampf ums politische Überleben führt die moderate Bauernpartei PSL, treuer Koalitionspartner der PO. Bisher nahm sie erfolgreich der PiS dort den Wind aus den Segeln, wo die Einflüsse der großstädtischen PO kaum hingelangen - auf dem flachen Land. Doch hier haben die PiS-Strategen neue Chancen ausgemacht. Für die PSL wird es also darum gehen, zunächst ins Parlament zu kommen. Eine Koalition mit PiS ist ausgeschlossen, in die Falle, die 2005 Andrzej Leppers »Samoobrona« lockte und aufrieb, werden die gewieften Agrarier nicht gehen.

Düster sieht es für die linksliberalen Kräfte aus. Holten die Palikot-Bewegung und die Linksdemokraten der SLD (Demokratische Linksallianz) 2011 zusammen noch fast 20 Prozent, geht es diesmal allein darum, in den Sejm zu kommen. Jetzt wird vielfach vorgeschlagen, eine linksliberal ausgerichtete Einheitsliste zu zimmern. Das erinnert ein wenig an die erfolgreichen Anfänge der SLD, bevor sie 1999 zur Partei wurde. Es gibt aber auch Stimmen, die behaupten, ein Scheitern solcher Versuche wäre die beste Voraussetzung, um in Polen endlich eine richtige linke Bewegung aufzubauen. Als Hoffnungsschimmer bleibt wohl, dass tatsächlich jüngere Anwärter mit noch wenig bekannten Gesichtern den Karren aus dem Dreck zu reißen suchen.

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