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Die Flamme der Erkenntnis

Von Giften, Elementen und dem Ethos der Wissenschaft

  • Lesedauer: 3 Min.

Er war der jüngste von vier Söhnen eines Bibliothekars und Universitätsprofessors für Literatur. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Norddeutschland. An einem Gymnasium in Holzminden legte er das Abitur ab. Danach studierte er Naturwissenschaften, insbesondere Chemie sowie Mathematik an der Universität Göttingen, wo auch sein Vater lehrte.

Bereits im Alter von 20 Jahren wurde er mit einer preisgekrönten Abhandlung über die verschiedenen Arten von Hygrometern promoviert. Danach reiste er mit einem Stipendium der Landesregierung durch Westeuropa, wobei er, um Geld zu sparen, große Wegstrecken zu Fuß zurücklegte. Manchmal fuhr er aber auch mit der Postkutsche und war irritiert: »Die Gegenstände fliegen bei dieser Art zu reisen so schnell an einem vorüber, dass man sich erst an den gehäuften Wechsel von Eindrücken gewöhnen muss.« Er weilte unter anderem in Berlin, Paris, Salzburg und Wien, wo er bei einem sechswöchigen Aufenthalt zahlreiche technische Anlagen studierte.

Nach seiner Rückkehr habilitierte er sich mit einer Arbeit über komplexe chemische Verbindungen und fand eine Substanz, die er zusammen mit einem Arzt im Tierversuch erfolgreich als Mittel gegen Arsenvergiftungen testete. Mit 35 wurde er Lehrer an der Höheren Gewerbeschule in Kassel und setzte im Labor seine Forschungen fort. Dies geschah teilweise unter völlig unzulänglichen Bedingungen und führte dazu, dass er bei einer Explosion eine dauerhafte Schädigung des rechten Auges erlitt.

Selbstmitleid kannte er indes nicht: »Ich habe immer gefunden, dass die Türen, durch welche ich gehen soll, sich mir von selbst öffnen. Gewaltsam durchzudringen, ist mir nie gut bekommen.« Auf Grund seiner wissenschaftlichen Erfolge erhielt er schließlich eine Berufung zum Universitätsprofessor. Anfangs lehrte er in Marburg, wo es ihm gelang, eine preisgünstige und vielseitig anwendbare Zink-Kohle-Batterie zu entwickeln. Als einige Jahre später der isländische Vulkan Hekla ausbrach, wurde er von der dänischen Regierung zu einer Expedition eingeladen. Dank der Fürsprache eines Cousins erhielt er sechs Monate Urlaub, in denen er »die grauenhafte, aber wunderbar schöne Natur« Islands kennenlernte. Er brachte so viele Gas-, Wasser- und Gesteinsproben mit nach Hause, dass er mehrere Jahre damit beschäftigt war, sie zu analysieren.

Nach einer kurzen Tätigkeit in Breslau wechselte er mit 41 Jahren an die Universität Heidelberg, wo er seine größten wissenschaftlichen Leistungen erbrachte. So vervollkommnete er ein bereits von Michael Faraday erfundenes Heizgerät für chemische Versuche, das später seinen Namen erhielt und in keinem Labor fehlen durfte. Außerdem stellte er gemeinsam mit einem Kollegen fest, dass verschiedene Metallsalze eine Gasflamme spezifisch färben und dass das farbige Licht, wenn man es durch ein Prisma schickt, im Spektrum charakteristische Linien aufweist. Als beide mit dieser Methode das Mineralwasser einer neu erschlossenen Quelle in Bad Dürkheim untersuchten, entdeckten sie zwei bis dahin unbekannte chemische Elemente.

An der praktischen Verwertbarkeit seiner Erkenntnisse war der von uns Gesuchte wohl interessiert, nicht aber an technischen Unternehmungen, mit denen er sich persönliche Vorteile hätte verschaffen können. »Ich blicke auf ihn zurück als auf einen Mann, der meinem Ideal eines Universitätslehrers am nächsten kommt«, schrieb ein britischer Kollege einmal über ihn.

Wegen eines rheumatischen Leidens bat er im Alter von 77 Jahren um seine Entlassung aus dem Dienst. Doch der badische Großherzog wollte seinen besten Mann nicht verlieren. Erst nach einem erneuten Gesuch durfte er in Ruhestand gehen. In seinem letzten Lebensjahrzehnt beschäftigte er sich vor allem mit Fragen der Geologie sowie dem Studium von Gerichtsberichten, die er sich extra ins Haus schicken ließ. Er starb mit 88 Jahren in Heidelberg.

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