Parade fürs friedliche Kiffen

Tausende fordern Freigabe von Cannabis / Nur die CDU ist dagegen

  • Florian Brand
  • Lesedauer: 3 Min.
Überdimensionale Joints, originelle Schilder und überall »Heu«: Am Wochenende zog die 19. Hanfparade friedlich durch die Stadt.

Wummernde Bässe und politische Reden heizten am Samstag den rund 8000 Cannabis-Sympathisanten bei Temperaturen um 35 Grad und knallender Sonne am Brandenburger Tor ein. Sie forderten die Freigabe von Cannabis als Rohstoff, Medizin und Genussmittel. Um 13 Uhr startete die 19. Hanfparade vor dem Hauptbahnhof. Mit zwölf szenetypisch geschmückten Wagen zogen die Befürworter durch die Stadt, vorbei am Bundesministerium für Gesundheit, dem Berliner Dom bis hin zum Brandenburger Tor. Die schlimmste Nebenwirkung des Freizeitkonsums von Haschisch und Marihuana sei die Strafverfolgung, hieß es im Aufruf zur Parade. Die Polizei registrierte, bis auf Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, keine nennenswerten Vorfälle.

Auf der Hauptbühne setzten sich neben SPD-Politiker Thomas Isenberg und Jost Leßmann von der LINKEN und dem »Grüne Hilfe Netzwerk e.V.« auch die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), für die Freigabe ein. Sie hatte im Juni einen Modellversuch beantragt, bei dem Cannabis staatlich kontrolliert an registrierte Konsumenten in ihrem Bezirk verkauft werden soll. Unterstützung bekam sie von Grünen-Politikern auf Lands- wie auf Bundesebene: »Höchste Zeit für die Legalisierung!« twitterte der Berliner Grünen-Chef Daniel Wesener am Samstag. Die Cannabis-Verbotspolitik sei »völlig gescheitert«, erklärte die Berliner Bundestagsabgeordnete der Grünen, Lisa Paus.

Untermalt wurden die politischen Forderungen von treibenden Beats aus den Demonstrationswagen sowie von namenhaften Künstlern, wie dem Berliner Reggae- & Dancehall-Duo Mono & Nikitaman und dem wortgewaltigen Rapper Damion Davis, der zwischen Accapella und Rap-Tracks die Menschen zum jodeln brachte.

Bis tief in die Nacht wurden anzahlreichen Informationsständen Flyer verteilt und auf der »Hanfmeile« diverse Hanf-Produkte vorgestellt. Veranstaltungsleiter Steffen Geyer übte Kritik am Vorgehen der Polizei. Die hatte zwar genehmigt, dass Lebensmittel verschenkt werden durften, blockierte dann allerdings den Nachschub diverser Snacks.

Im Vorfeld hatte es bereits Ärger mit den Auflagen gegeben. So war von der Innenbehörde veranlasst worden, dass auf der Parade nur Stände aufgebaut werden dürfen, die sich ausschließlich mit der Legalisierung von Cannabis auseinander setzen. Die Organisatoren hatten dagegen erfolgreich Widerspruch eingelegt. Ein Gericht hatte bereits vor zwei Jahren einen Stand des Berliner Wassertisches auf der Parade verboten, da er nicht »in erster Linie« dem Zweck der Hanf-Legalisierung diente.

Die Demonstration findet seit 1997 jedes Jahr im August in Berlin statt. Und ist laut Organisator Geyer zu einer Art Familientreffen der Szene avanciert. Als Cannabis-Messe möchte er seine Veranstaltung jedoch nicht verstanden wissen. »Es geht nicht um Kommerz. Ich will, dass die Menschen kiffen, weil ich fest davon überzeugt bin, dass es die Welt zu einem besseren Ort macht, mit friedliebenden Menschen«, sagte Geyer.

Die CDU erteilte unterdessen Überlegungen zu einer Legalisierung von Cannabis eine Absage. »Wir bleiben beim Nein«, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende Thomas Strobl dem »Tagesspiegel«. Strobl reagierte damit auf die Ankündigung der Berliner SPD, ihre Mitglieder im Oktober über ein Programm für die Abgeordnetenhauswahl 2016 abstimmen zu lassen, in dem es unter anderem um die Legalisierung des Besitzes und Verkaufs von Cannabis-Produkten gehen soll.

Der Deutsche Hanfverband (DHV) geht davon aus, dass bei einer Cannabislegalisierung mindestens 1,4 Milliarden Euro pro Jahr in die Staatskassen fließen würden. Dies seien jedoch sehr vorsichtige Schätzungen, ein Vielfaches davon scheint wahrscheinlicher, heißt es von dem Verband. Geschätzte zwei Milliarden Euro gibt der Staat jährlich bei der Strafverfolgung allein bei Cannabisdelikten aus.

In Berlin liegt die Toleranzgrenze für den Besitz von Cannabis, bis zu der kein Ermittlungsverfahren aufgenommen wird, bei 15 Gramm für den Eigenverbrauch. Ausnahmen gibt es am Görlitzer Park, um Schulen herum und in Bahnhöfen. In München liegt diese Grenze der als »geringfügig« eingestuften Vergehen bei sechs Gramm.

Andere europäische Länder sind hier weiter: In den Niederlanden dürfen Volljährige fünf Gramm Marihuana in Coffeeshops kaufen. In Tschechien gelten seit 2010 sogar bis zu 15 Gramm lediglich als Ordnungswidrigkeit.

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