Wankender Riese RWE

Der zivile Ungehorsam macht dem König der Klimakiller ernsthaft zu schaffen. Der Konzern reagiert mit Gewalt. Doch das wird sein Ende nicht aufhalten

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Bilder und Meldungen aus dem Rheinischen Revier sind erschreckend. Blut, Kopfverletzungen, Pfefferspray – massiv geht die Polizei gegen die Demonstranten von »Ende Gelände« vor, die die gigantischen Bagger im RWE-Tagebau Garzweiler temporär stoppen wollen. Journalisten werden weggekarrt, auf dass sie den Skandal nicht dokumentieren können. Presse- und Meinungsfreiheit, sie werden nicht nur vom Staat bedroht.

Eine völlig überzogene Reaktion auf friedlichen Protest? Keineswegs, die Gewalt ist bedauerlicherweise teilrational erklärbar. RWE stand goldene Jahrzehnte lang auf zwei Beinen: Braunkohle und Atom. Das zweite Bein bricht dank Atomausstieg sukzessive weg.

Und nicht mal auf einem Bein darf der Riese noch stehen: Teile der Politik gehen vorsichtig auf Distanz zur Kohle, es wächst die Divestment-Bewegung, die institutionelle Großanleger dazu überzeugen will, kein Geld für Kohle-Dreckschleudern zu verschwenden – und last not least gewinnt die Anti-Kohle-Bewegung gerade massiv an Größe und Schwung. Wie heute zu sehen ist.

Ignorieren kann RWE den Protest nicht mehr. Dafür ist er nicht mehr klein genug. Der zivile Ungehorsam macht RWE, dem König der Klimakiller, ernsthaft zu schaffen. Mit Baggerblockaden, die kaum zu stoppen sind, be- und verhindern Aktivisten immer öfter und immer effektiver den Braunkohleabbau im Rheinischen Revier. Kaum zu stoppen? Es sei denn mit purer Gewalt. So wie heute.

Bei RWE ist die Frage nach dem Image-Schaden offenbar längst tabu. Denn der Dinosaurier führt einen verzweifelten Überlebenskampf – und er führt ihn ohne Rücksicht auf Verluste.

Mal verkündet Boss Terium, die milliardenschweren Rücklagen für den Rückbau der AKWs müssten (wider das Gesetz!) erst noch gebildet werden, natürlich über Jahrzehnte und mit Hilfe der Braunkohle. Die Drohung: »Wir lassen Euch auf den Kosten sitzen, die wir erzeugten, um zur Cash-Maschine zu werden oder Ihr lasst uns gewähren!« Mal wird die Staatsmacht zur Hilfe gerufen, um friedliche Demonstranten wegzuprügeln und journalistische Arbeit zu verhindern.

Gedeckt wird der anachronistische Konzern von den Gewerkschaften IG BCE und ver.di, der SPD vor allem in Nordrhein-Westfalen, von kommunalen Anteilseignern vor allem im Ruhrgebiet und von einer lokalen Polizei, bei der die Frage überflüssig ist, wessen Freund und Helfer sie sei.

Und doch: Die Bagger im Tagebau Garzweiler, sie stehen mal wieder still. »Polizei ist ratlos. Viele DemonstrantInnen haben keinen Ausweis dabei, aber es gibt keine Kapazität, sie mitzunehmen«, twitterte der von der Polizei wegkommandierte »taz«-Kollege Malte Kreuzfeldt. 1.500 Menschen leisten zivilen Ungehorsam, so viele wie nie zuvor.

Vor allem aber dürfte das Thema Braunkohleausstieg in der Mitte der Gesellschaft angekommen sein. Die Zeit der Nadelstiche ist vorbei. Der Riese wankt - er könnte sich als Scheinriese erweisen und schon bald fallen.

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