Den Besten besiegt - und doch Zweiter

Stabhochspringer Raphael Holzdeppe gewinnt WM-Silber noch vor Favorit Renaud Lavillenie, der Überraschungssieger kommt aus Kanada

  • Kristof Stühm und
Christoph Leuchtenberg, Peking
  • Lesedauer: 3 Min.
Seinen WM-Titel konnte Raphael Holzdeppe in Peking zwar nicht verteidigen. Silber mit übersprungenen 5,90 m krönte eine starke Saison nach einem persönlichen Seuchenjahr 2014.

Raphael Holzdeppe schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf. Irgendwann schnappte er sich dann doch eine Fahne und startete seine ausgelassene Silberparty. Der beste deutsche Stabhochspringer verpasste zwar einen erneuten WM-Coup, freute sich im Olympiastadion von Peking aber auch über Platz zwei.

Der 25-Jährige meisterte 5,90 m und musste sich nur dem kanadischen Überraschungssieger Shawnacy Barber geschlagen geben, weil dieser die gleiche Höhe bereits im ersten Versuch übersprang, während Holzdeppe dafür drei benötigt hatte. Der Favorit Renaud Lavillenie aus Frankreich wurde seinen »WM-Fluch« nicht los und holte »nur« Bronze.

»Ich bin einfach überglücklich. Ich habe alles gegeben, was drin war, mein ganzer Körper tut weh«, sagte Holzdeppe kurz nach dem Wettkampf. »Es war ein Auf und Ab der Gefühle«, fuhr er fort und kündigte eine gute Feier am Abend in Chinas Hauptstadt an.» Holzdeppe holte mit Silber die dritte Medaille für das deutsche Team in Peking, der erst 21 Jahre alte Barber sicherte Kanada erst das fünfte WM-Gold überhaupt.

«Air France» Lavillenie stürzte derweil schon wieder bei einer WM ab. Der haushohe Favorit konnte sein Trauma nicht besiegen und musste sich nach 5,80 m mit dem geteilten dritten Platz zufrieden geben. Der 28-jährige Olympiasieger und Weltrekordler war restlos bedient, schließlich wollte er endlich jenen Titel gewinnen, der ihm in seiner Sammlung noch fehlt. Der dreimalige Europameister hatte schon 2013 mit Silber hinter Holzdeppe und zuvor zweimal Bronze bittere Pleiten eingesteckt.

Neben Lavillenie holten die höhengleichen Pawel Wojciechowski und Piotr Lisek (beide Polen) ebenfalls Bronze. Der Leverkusener Tobias Scherbarth landete mit 5,65 m auf dem geteilten siebten Platz.

Nach seinem Wackler in der Qualifikation, als Holzdeppe seine Anfangshöhe erst im dritten Versuch gemeistert hatte, begann er im Finale einen Tag später hellwach. 5,65 m meisterte der Hobbybasketballer souverän, die nächste Höhe 5,80 m im zweiten Versuch. Dann bewies er Nervenstärke: Vor dem Aus stehend, meisterte Holzdeppe die 5,90 m sauber im dritten Durchgang. Bei einem Fehlversuch wäre die Medaille dahin gewesen. Die sechs Meter für Gold lagen an diesem Abend aber zu hoch.

Nach einem wahren Seuchenjahr 2014 hatte Holzdeppe vor der Saison den Resetknopf gedrückt und sich in der alten Heimat eine neue Wohlfühlatmosphäre geschaffen. Aus München kehrte er nach Zweibrücken zu seinem alten Trainer Andrej Tiwontschik zurück, zog mit seiner Freundin, der deutschen Weitspringerin Sosthene Moguenara, zusammen und hat auch wieder seine alten Kumpels um sich versammelt. «Das spielt eine große Rolle, ich fühle mich einfach wohl und bin nicht mehr so viel auf der Autobahn unterwegs», hatte Holzdeppe vor der WM gesagt: «Und diese Kraft, die ich dadurch spare, kann ich ins Training stecken.»

In diesem Jahr war Holzdeppe von Verletzungen verschont geblieben und sprang so hoch und konstant gut wie nie zuvor. Zuletzt steigerte er seine persönliche Bestleistung bei den deutschen Meisterschaften in Nürnberg sogar auf 5,94 m.

In Peking schloss sich auch ein Kreis. Schon 2008 flog Holzdeppe durch das «Vogelnest» von Peking - damals bei Olympia war er mit 18 Jahren das Küken im deutschen Team. Jetzt ist er zum Anführer und Medaillensammler avanciert. SID/nd

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