Aus Respekt vor dem Parlament

Innenminister Jäger hüllt sich zum Polizeieinsatz in Garzweiler vorerst in Schweigen

  • Marcus Meier, Düsseldorf
  • Lesedauer: 3 Min.
Der umstrittene Polizeieinsatz während der »Ende Gelände«-Proteste im Braunkohle-Tagebau Garzweiler vor zwei Wochen zieht noch immer Kreise. Am Donnerstag beschäftigte er den Landtag Nordrhein-Westfalens.

Auf der Tagesordnung des Innenausschusses im Düsseldorfer Landtag stand am Donnerstag der Polizeieinsatz, der derzeit die Gemüter in Nordrhein-Westfalen erregt. Doch Innenminister Ralf Jäger (SPD) zog es am Nachmittag vor, die Ausschusssitzung vorzeitig zu verlassen, um einen nicht näher genannten Termin wahrzunehmen. Auf dem Flur versäumte er nicht, vor vier Kamerateams zu verkünden, aus Respekt vor dem Parlament werde er sich zum Sachverhalt nicht zuerst vor Journalisten statt vor dem Innenausschuss äußern. Letztlich schwieg der Sozialdemokrat also beide an: das Parlament und die Medien.

Sichtlich pikiert ließen CDU- und Piraten-Fraktion ihre Anträge zum umstrittenen Polizeieinsatz bei den »Ende Gelände«-Protesten am vorvergangenen Wochenende im Tagebau Garzweiler vertagen. Immerhin hatte Minister Ralf Jäger vor der Ausschusssitzung einen Bericht vorgelegt, in dem das Innenministerium den Einsatz als weitestgehend gelungen einstufte. »Auf der Basis der mir zum jetzigen Zeitpunkt vorliegenden Informationen erachte ich die getroffenen Maßnahmen als verhältnismäßig«, so lautete der zentrale Satz. Das Papier basiert im Wesentlichen auf Aussagen der Kreispolizeibehörde Düren, die für den Einsatz zuständig war und gegen die sich ein guter Teil der Kritik richtete.

Die Vorwürfe: Journalisten wurden von der Polizei auf Geheiß des Energiekonzerns RWE systematisch vom Ort des Geschehens wegbegleitet. So sei Medienarbeit verhindert wurden. Beim Fotografieren wurde die auch für das »neue deutschland« berichtende Journalistin Eva Mahnke verletzt - durch einen polizeilichen Pfefferspraystrahl. Beim anschließenden Einsatz wurden nach Veranstalterangaben 200 der 800 Aktivisten verletzt, die im Tagebau Bagger besetzten und blockierten.

Als besonders kritisch wird dabei angesehen, dass Polizei, RWE-Werkschutz und ein privater Sicherheitsdienst sehr eng zusammenarbeiteten. Ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes hatte gegenüber dem WDR ausgesagt, die Demonstranten hätten sich weitestgehend friedlich verhalten. »Die Gewalt ging eindeutig von der Polizei und dem Sicherheitsdienst aus«, betonte der offenbar von Gewissensbissen geplagte Mann. Einige der Gewalttäter seien regelrecht euphorisiert und darauf aus gewesen sein, sich zu prügeln.

Der Ministeriumsbericht zeichnet ein anderes Bild: Kritikpunkte werden konsequent abgestritten. So habe die Polizei nur im rechtlich zulässigen Rahmen mit dem RWE-Werkschutz kooperiert, RWE habe keinen Einfluss auf die polizeilichen Entscheidungen genommen.

Wie im »nd« vom letzten Wochenende bereits prognostiziert, unterteilt das Jäger-Ministerium die Medienleute qua Bericht in zwei Kategorien: Gleichsam »gute« Journalisten, die »eine stationäre und mobile Betreuung für Medienvertreter« nutzten und am Rockzipfel der Polizei einen Blick auf die Proteste warfen. Und dann waren da die bösen Journalisten, die das behördliche Angebot verschmähten, mit den Demonstranten zogen und nun Strafen wegen Hausfriedensbruchs befürchten müssen.

Viele Fragen bleiben offen, kritisiert »Ende Gelände«. Ähnlich argumentiert der Piraten-Landtagsabgeordnete Frank Herrmann. Er wollte eigentlich wissen: Warum schätzen Ministerium und Polizei das Hausrecht von RWE höher ein, als das Recht zur freien Berichterstattung?

»Dass die Ereignisse von öffentlichem Interesse waren, steht wohl außer Frage«, sagt der 54-Jährige. Ginge es nach ihm, hätten Polizei und RWE die Journalisten zur Unterstützung ihrer Arbeit durch den Tagebau fahren müssen. »Gerade in einem so weitläufigen Gelände ist es nur verständlich, dass sich die Journalisten ein Bild vom Ort des Geschehens machen wollen.« Demnächst wird die Öffentlichkeit vielleicht mehr erfahren. Falls Innenminister Jäger denn mal Zeit findet.

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