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»Was willst du, du Sau?«

Wuttke: Hinterhof-Punkrock

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 2 Min.

Wuttke. Ein guter Bandname. Das hört sich nach Berlin an, nach dem alten Berlin, als Pizza noch nicht »Italian Street Food« hieß und noch nicht jede Straßenecke vom Berliner Tourismusverband als superauthentischer »Geschichtsort« vermarktet und eventisiert wurde. Wuttke. Das klingt nach dem Berlin von Charlottenburger Engelhardt-Pilsener, feuchten Hinterhauskellern und bröckelnden Mietshausfassaden. Wuttke. Man stellt sich gleich einen haltlos zeternden, Totenkopfkapuzenpulli tragenden Alt-Punk vor oder einen nörgelnden Hausmeister, der empört seine Bierflasche hin- und herschwenkt. Und so falsch ist das auch nicht.

Mit Standschlagzeug, Punkrockgitarre und Albernheit verströmt das Trio einen gewissen Charme.

Die Songs der neuen, im Juli erschienenen Platte des Duos (»Chronologisch war gestern«) sind allesamt kurz, knapp, sparsam instrumentiert, aufs Wesentliche reduziert. Und entsprechend minimalistisch rumpeln sie daher. Eine Art skelettierter Drei-Akkorde-Rock alter Schule, bestürzend in seiner Schlichtheit, überwiegend wohl interessant für agil gebliebende Fünfzigjährige, die gern an ihre schöne Zeit in den Achtzigern im autonomen Jugendzentrum zurückdenken. Deshalb wird im wegweisenden Dötlinger Polit-Punk-Periodikum »Underdog-Fanzine« haltlos gejubelt: »Wuttke, du bist das Schärfste zwischen Spandau und Marzahn-Hellersdorf.«

Die Lieder beruhen nach Angaben der Band auf »Geschichten Kalauern und Aphorismen« des einst im Friedrichshainer Zeckenlokal Fischladen beheimateten »Kneipenphilosophen Wuttke«. Das klingt dann, begleitet von ein paar trockenen Gitarrenakkorden, etwa so wie in dem Track »Eskalation«: »Los, mach hin, Alter, was willst du von mir, du Sau? / Ich hab’ dich nicht bestellt, doch du stehst hier und machst den Kasper / Ich glaub’, du hast nicht mehr alle!« Klar, das ist Musik für den Kneipenkeller. Musik, bei der gleichzeitiger Bierkonsum kein Hindernis darstellt für den Hörgenuss, wenn Sie jetzt verstehen, was ich meine. Wer nichts versteht, dem wird eine Interpretationshilfe an die Hand gegeben: »Textlich bewegen wir uns hier an der Schnittstelle zwischen Existenzialphilosophie und Dadaismus«, teilen Wuttke mit. Wird schon so sein. Aber jetzt erst mal Bier holen gehen.

Konzert: Wuttke, 11.9., 21.30 Uhr, »Tiefgrund«, Laskerstr. 5, Friedrichshain

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