Vattenfall sucht Käufer für deutsche Braunkohle

Schweden wollen fünf Kohlegruben und drei Kraftwerke in Ostdeutschland loswerden

  • Bengt Arvidsson
  • Lesedauer: 2 Min.
Vattenfall hat am Dienstag den Verkaufsprozess für alle seine ostdeutschen Kohlekraftanlagen eröffnet. Laut dem Konzern gibt es mehrere Interessenten. 2016 soll das Geschäft abgeschlossen sein. In der schwedischen Politik führt dies zu Diskussionen.

Stockholm. Mit rund einem Jahr Verspätung ist die Auktion nun eröffnet worden. Der staatliche schwedische Energiekonzern Vattenfall hat am Dienstag Bieter dazu aufgefordert, Angebote für den Erwerb aller seiner deutschen Braunkohleanlagen einzureichen.

In Brandenburg und Sachsen betreibt Vattenfall derzeit noch fünf Kohlegruben und drei Kraftwerke mit insgesamt 8000 Angestellten, die nun um ihre Arbeitsplätze bangen müssen. Dazu zählen Jänschwalde, Boxberg und Schwarze Pumpe. Das Kraftwerk Lippendorf bei Leipzig führen die Schweden zusammen mit dem Karlsruher Energieversorger ENBW. Insgesamt hängen in Ostdeutschland 33.000 Arbeitsplätze von der Kohlewirtschaft ab. Der Verkauf der Vattenfall-Anlagen soll irgendwann im Jahr 2016 abgeschlossen werden, hieß es von der Konzernführung in Stockholm am Dienstag. Bieter können auch Angebote für zehn Wasserkraftwerke einreichen, die unweit der Braunkohlegebiete in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen liegen. Die Wasserkraftwerke werden aber nicht separat verkauft, hieß es aus der Konzernzentrale.

Vom Goldesel zum Milliardengrab

Die deutsche Vattenfall GmbH entstand 2002 aus einer Fusion der der Berliner Bewag, der Hamburgischen Elektrizitätswerke (HEW), der Lausitzer Braunkohle AG (Laubag) und der ostdeutschen Veag.

Jahrelang war die Expansion nach Deutschland erfolgreich und spülte enorme Gewinne in die Stockholmer Staatskasse. Noch 2005 feierte der Gesamtkonzern einen Vorsteuergewinn von 26,160 Milliarden Kronen (2,8 Milliarden Euro/3,06 Milliarden Franken). Dann schrumpfte er fast stetig von Jahr zu Jahr. 2013 hatte Vattenfall einen Verlust vor Steuern von 15,255 Milliarden Kronen und 2014 von 8,24 Milliarden Kronen.

Der Konzern war erstmals durch eine Pannenserie in den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel unter Druck geraten. Dann belasteten die in der Energiewende fallenden Strompreise und hohe Abschreibungen die Profitabilität seiner konventionellen Kraftwerke immer stärker.

»Es gibt eine Anzahl von Kaufinteressenten, aber wir wollen das nicht im Detail kommentieren«, sagte Vattenfalls Konzernchef Magnus Hall am Dienstag dem Radio Schweden (SR). Unter anderen sollen die tschechischen Energieunternehmen ČEZ und EPH Interesse haben. Über den Wert der Anlagen gibt es unterschiedliche Angaben. Er wird auf 2 Milliarden Euro (2,2 Milliarden Franken) bis 3,5 Milliarden Euro geschätzt. Der Konzern übt sich in Zurückhaltung bei der Veröffentlichung von genauen Zahlen.

Eigentlich hatte Vattenfall schon 2014 den Verkauf seiner ostdeutschen Anlagen angekündigt. Der sollte in diesem Jahr abgeschlossen sein. Ein Verkauf galt jedoch lange politisch wie wirtschaftlich als schwierig. »Wo will man dafür einen Käufer finden? Ein Blick in die Bilanz sagt doch alles«, erklärte der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im Herbst 2014 in Stockholm, als er dem sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Stefan Löfven kurz vor den damaligen Parlamentswahlen im Wahlkampf half.

In der folgenden rotgrünen Regierung, die auch mit Unterstützung der Linkspartei keine Mehrheit hat, sondern auf das Wohlwollen des bürgerlichen Lagers angewiesen ist, gab es zwei Lager. Die Grünen forderten eine Abwicklung der klimabelastenden Braunkohleanlagen. Sozialdemokraten und bürgerliche Parteien forderten mehrheitlich den Verkauf. Zuletzt akzeptierten die Grünen zähneknirschend den Verkauf. Vattenfalls deutsche Anlagen pusten pro Jahr circa 24 Mal mehr Kohlendioxid in die Luft als ganz Schweden. Die Grünen werden nun heftig von der linken Opposition kritisiert. Sie hätten nun ihre Seele verkauft. Kein anderer Beschluss ihrer Regierung würde sich zukünftig mehr auf das Weltklima auswirken, kritisierte Jonas Sjösted, Chef der schwedischen Linkspartei, am Dienstag.

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