Regierung stellt Bundeswehrabzug aus Afghanistan infrage

SPD-Außenpolitiker Annen: Voraussetzung ist internationaler Konsens / Afghanische Armee startet Offensive zur Rückeroberung von Kundus

  • Lesedauer: 3 Min.
Zum ersten Mal seit 2001 ist es den Taliban gelungen, die Macht in einer größeren afghanischen Stadt zu übernehmen. Das afghanische Militär startete am Dienstagmorgen mit US-Luftunterstützung eine Gegenoffensive.

Köln/Kundus. Angesichts der Eroberung der nordafghanischen Stadt Kundus durch Kämpfer der radikalislamischen Taliban zeigen sich Politiker von SPD und Union offen für Änderungen an den Rückzugsplänen der internationalen Truppen in dem Land. Über den Vorschlag, die Bundeswehr bis Ende 2016 im Norden Afghanistans stationiert zu lassen, müsse »sehr ernsthaft« diskutiert werde, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Niels Annen, am Dienstag im Deutschlandfunk. Voraussetzungen dafür seien aber, »dass wir uns in der internationalen Gemeinschaft darauf verständigen, gemeinsam länger zu bleiben«, und »dass die afghanische Regierung dies wünscht«.

Und auch die Unionsfraktion im Bundestag stellt den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan infrage. »Wir müssen prüfen, ob wir das Abzugsdatum halten können, denn wir müssen ein stabiles Afghanistan hinterlassen«, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Franz Josef Jung (CDU), dem »Tagesspiegel«. Das Beispiel Irak zeige, dass ein zu früher Abzug »katastrophale Folgen« haben könne. Jung war von 2005 bis 2009 Verteidgungsminister, in seine Amtszeit fiel die durch einen Bundeswehr-Offizier angeforderte Bombardierung eines Tanklasters nahe Kundus durch die US-Luftwaffe. Dabei wurden bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt.

Einen Tag nach der Einnahme der nordafghanischen Stadt Kundus durch Kämpfer der radikalislamischen Taliban hatte die Armee des Landes eine Offensive zur Rückeroberung gestartet. Der Einsatz habe am frühen Dienstagmorgen begonnen, teilte das Verteidigungsministerium mit. Das Hauptquartier der Polizei und das städtische Gefängnis seien bereits zurückerobert worden. Nach verschiedenen Medienberichten wurden die afghanischen Einheiten durch Luftangriffe der US-Armee unterstützt.

Mit rund 2000 Kämpfern hatten die Taliban am Montag Kundus erobert. Es war das erste Mal seit ihrer Entmachtung im Jahr 2001 durch internationale Truppen, dass die Taliban die Kontrolle über eine größere afghanische Stadt übernehmen konnten. Für die Provinz Kundus war früher die Bundeswehr verantwortlich. Im Oktober 2013 übergab sie ihr dortiges Feldlager an die afghanischen Sicherheitskräfte.

Ende vergangenen Jahres beendete die NATO ihren Kampfeinsatz in Afghanistan. Seit Anfang dieses Jahres unterstützt sie mit dem Einsatz »Resolute Support« die afghanischen Sicherheitskräfte in der Ausbildung. Derzeit sind noch etwa 13.000 ausländische Soldaten in dem Land. Sie sollen sich bisherigen Plänen zufolge nach und nach aus der Fläche zurückziehen und bis Ende 2016 vollständig aus dem Land abgezogen werden.

»Der internationale Kampfeinsatz in Afghanistan ist beendet«, bekräftigte Annen am Dienstag im Deutschlandfunk. Die Sicherheitsverantwortung trage die afghanische Armee. Die Taliban hätten »von Anfang an angekündigt«, dass sie erneut versuchen wollten, »die Regierung zu stürzen«. »Bisher ist es den afghanischen Streitkräften stets gelungen, Geländegewinne der Taliban rückgängig zu machen«, sagte Annen. Agenturen/nd

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