Leinen los

Donizetti in Dessau

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Anhaltischen Theater Dessau heißt es: »Alles auf Anfang«. An der Spitze des Hauses wird sich der von Wuppertal kommende neue Intendant Johannes Weigand an seinem kämpferischen Vorgänger André Bücker messen lassen müssen. Der hatte nach Kräften gegen die budgetäre Dürre gekämpft, die sich übers ganze Kulturland Sachsen-Anhalt ausbreitet. In Dessau hat man zwar gerade noch mal alle Sparten erhalten können, muss aber auf Dauer mit Personal- und Mittelreduzierungen klarkommen, die das vitale Ballett von Tomasz Kajdanski schon mal auf Alibigröße geschrumpft haben.

Auch beim aktuellen Opernprogramm ist eher Schmalhans der Küchenmeister. Da wirkt ein Spielzeitauftakt mit Donizettis Komödie »Viva la Mamma«, die seit 1827 über die Bühne geistert, so, als würde man gleich drei Gänge zurückschalten. Aber wirklich gute Kunst hat ja immer auch etwas vom fröhlichen Nutzen der Chancen, die man gar nicht hat. Und so ging es bei der Eröffnungspremiere nicht nur mit dem Untertitel der »Sitten und Unsitten am Theater« (wie diese Komische Oper eigentlich heißt) mit dem Zusatz: »Da muss Mutti ran!« augenzwinkernd in Richtung Gegenwart.

Einmal gönnt sich Erzkomödiant Ulf Paulsen in der Rolle der Agata jene Finger-Raute, bei der jeder an die regierende Opernfreundin denkt. Seine Agata mischt als Luigias Mutter und Agentin backstage den Opernbetrieb auf. Der muss mit den vom smarten Jungintendanten (Olaf Haye) verkündeten Hiobsbotschaften von Personalabbau, Kosteneinsparung, kreativen Synergieeffekten bei gleichzeitig (!) steigender Qualität klarkommen. Und mit seinen eigenen Macken und Eitelkeiten.

Von dieser durch Regisseur Holger Potocki mit flotten Dialogen aus der Gegenwart angereicherten Melange lebt der Abend. Und zwar mehr als gut. Das hat Witz. Alle kommen auf Touren. Und er liefert obendrein den Hintersinn, der dieses Stück übers Theater dann doch zum richtigen Eröffnungsstück macht. Weil es der Wirklichkeit immer noch einen kleines Stück voraus ist.

Mit dem Bühnenbild (Markus Pysall) musste man auch früher schon mal improvisieren. Wenn im Stück jetzt die Container aus China ankommen, weil das billiger ist, jedoch statt des bestellten römischen Kaiserpalastes einfach eine Nachbildung des Pekinger Palastes drin ist, dann ist da gerade mal so viel Verfremdung, dass man noch drüber lachen kann. Auch, wenn der einzige verbliebene Bühnenarbeiter das Monstrum über die Bretter ziehen muss ...

Und so legt der Opern-Tanker ab. Und hält Kurs. Den in Dessau bewährten Daniel Carlberg kann man sich gut als sensiblen Statthalter am Pult der Anhaltischen Philharmonie vorstellen, bis ein Nachfolger für den abgängigen Holländer Antony Hermus gefunden ist. Neben Paulsen gehören auch Angelina Ruzzafante (die sich hier mal als etwas dümmliche Primadonna verstellen darf), Andre Eckert als ihr Ehemann und Cornelia Marschall als ehrgeizig auftrumpfende Seconda Donna zu dem, was ein Haus ausmacht: ein Künstler-Ensemble, das rückhaltlos bei der Sache ist. Und von dem das Theater letztlich lebt. Die Selbstermunterung auf der Bühne erwiderte das Dessauer Premierenpublikum im Saal herzlich.

Nächste Vorstellung am 4. Oktober

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