Man muss für das Schlimmste gerüstet sein

Vor allen die Fischer und Bauern zittern in Peru vor dem Wetterphänomen El Niño

  • Regine Reibling, Quito
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Wetterphänomen El Niño dürfte dieses Jahr besonders heftig ausfallen, erwarten Klimaexperten. Peru rief in 14 Regionen vorsorglich der Notstand aus.

Luis Alberto Ruiz schaut mit melancholischem Blick auf das Ufer des Flusses Chira. »Hier war mein Feld«, berichtet der 52-Jährige der Zeitung »La República«. Mit seiner Familie bewirtschaftete der peruanische Kleinbauer rund zwei Hektar, pflanzte Mais und Reis - bis Anfang 1998 das Wetterphänomen El Niño zuschlug. Wochenlange Regenfälle vernichteten die Ernte und ließen den Fluss anschwellen. Die Wassermassen spülten das Land dann ganz weg. Ein Hektar Fläche ist Ruiz geblieben, auf dem er heute Bananen anbaut. Nun fürchtet er, dass El Niño wiederkommt. Für ihn und rund 8000 Bananenbauern im Valle del Chira in der Region Piura steht die Existenz auf dem Spiel.

Laut Klimaexperten droht noch in diesem Jahr Ungemach. Der USA-Wetterdienst NOAA beziffert die Wahrscheinlichkeit eines El Niño-Ereignisses mit 95 Prozent. Das Internationale El Niño-Forschungszentrum spricht von einer Reifephase des Wetterphänomens. El Niño werde stetig stärker. NASA-Forscher Bill Patzert sprach von einem möglichen Godzilla-El-Niño. Die Temperatur im Pazifik hat sich deutlich erhöht, Teile des Meeres waren bis sechs Grad Celsius wärmer als normal. Statt den üblichen Passatwinden hat die Windrichtung auf West gedreht und drückt das warme Pazifikwasser von Asien an Südamerikas Küste.

Das Christkind bringt Regen und Flut

El Niño tritt alle vier bis sieben Jahre im Pazifikraum auf und dreht die normalen Klimaverhältnisse um. So kommt es vor der Westküste Südamerikas, die eigentlich vom kalten Humboldtstrom geprägt ist, zu einer deutlichen Erwärmung der Wasseroberflächentemperatur. Die Folgen sind sintflutartigen Regenfälle und Überflutungen. Australien und Südostasien leiden unter Dürre. El Niño heißt »das Kind«, in dem Fall »das Christkind«. Peruanische Fischer wählten den Namen, weil sie stets um Weihnachten unter den Folgen der Meereserwärmung litten und einen dramatischen Einbruch der Fischbestände verkraften mussten.

Perus Regierung will gravierende Schäden wie bei El Niño 1997/1998 verhindern. In 14 Regionen wurde Anfang September vorsorglich der Notstand ausgerufen. Eine Milliarde Dollar wurden für mögliche Schäden zurückgelegt. Vorsorgemaßnahmen seien zu 90 Prozent abgeschlossen, so Landwirtschaftsminister Juan Benites Mitte September. »Peru ist besser vorbereitet als in den Jahren zuvor.«

Vor möglichen Epidemien wie Dengue oder Gelbfieber warnte das Gesundheitsministerium. 284 Tonnen Medikamente, u. a. gegen Durchfall, Atemwegserkrankungen, Hautinfektionen, Dengue und Malaria, seien verteilt worden. Eng arbeiten die Behörden zudem mit dem Nachbarland Ecuador zusammen. Gemeinsame Katastrophenübungen sind in Planung.

Im November, so Prognosen, könnten die ersten Regenfälle an der Nordküste beginnen. Im Süden werden hingegen Trockenheit und Dürre erwartet. Experten gehen davon aus, dass El Niño bis April 2016 anhält.

El Niño 1997/1998 hatte eine verheerende Wirkung, vor allem in Peru. Es gab 500 000 Geschädigte, 135 000 Häuser wurden zerstört. Die Schäden summierten sich auf 3,5 Milliarden Dollar. Die Wirtschaft stürzte 1998 ab in eine Rezession. Auch heute gelten Landwirtschaft und Fischerei als gefährdetste Wirtschaftssektoren.

In den Regionen werden konkrete Vorbereitungen getroffen. Die Provinzregierung von Piura lässt die Flüsse Piura und Chira ausbaggern und Uferbefestigungen bauen. Man muss für das Schlimmste gerüstet sein, sind sich die Kleinbauern einig. Luis Alberto Ruiz hofft aber, dass es erst gar nicht so weit kommt.

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