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In Straßburg fehlte das Konkrete

Nach Reden von Merkel und Hollande zur Flüchtlingspolitik sind nun die EU-Minister gefragt

  • Kay Wagner, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
Solidarität und gemeinsame Verantwortung wurden am Mittwoch im Europaparlament gefordert. Nun müssen dringend konkrete Maßnahmen folgen.

Von hektischen Entscheidungen beim Thema Flüchtlingspolitik ist in der EU zurzeit nichts zu spüren. Anders als bei verschiedenen Griechenland-Krisen und Euro-Rettungsgipfeln scheint die Gemeinschaft der 28 nach dem Motto zu verfahren: Erst nachdenken, sondieren, diskutieren - dann entscheiden. Ob das von Vor- oder Nachteil ist: eine offene Frage. Medienwirksam allerdings gibt sich die EU alle Mühe, das Thema weiter in den Schlagzeilen zu halten.

Der gemeinsame Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident François Hollande am Mittwoch im Straßburger Europaparlament war diese Woche bereits der zweite Höhepunkt bei den EU-Bemühungen, Ordnung in die aktuelle Flüchtlingskrise zu bekommen. Den Auftakt hatte am Montag das Treffen zwischen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und dem türkischen Staatspräsidenten Recep Erdogan gemacht. Dieses Treffen hatte jedoch - ähnlich wie Merkels und Hollandes Reden - vor allem richtungsweisenden Charakter. Nach dem Juncker-Erdogan-Treffen gab es einen vorläufigen Aktionsplan ohne konkrete Zusagen, vom Merkel-Hollande-Auftritt wurde nicht mehr erwartet - keine Details zur praktischen Umsetzung, sondern vielmehr Aussagen zum großen Ganzen. »Ich wünsche mir, dass sie eine gemeinsame Sprache sprechen, ein Bekenntnis zur europäischen Einheit abgeben«, so etwa Parlamentspräsident Martin Schulz vor den Reden am Mittwochnachmittag.

Merkel und Hollande entsprachen den Erwartungen: Vielleicht historische Reden, Lippenbekenntnisse für die großen Schlagzeilen, doch keine Detailregelungen, keine konkreten Handlungshilfen. Diese sind eher bei zwei folgenden EU-Ministertreffen möglich. Aber auch da ist wenig Endgültiges zu erwarten, zumal bei allen Themen, die auf den Tagesordnungen stehen, das Europaparlament noch gar nicht gehört worden ist.

Die EU-Innenminister tagen am Donnerstag und Freitag, die EU-Außenminister am kommenden Montag jeweils in Luxemburg. Beide Treffen stehen deutlich, aber nicht nur, im Zeichen der Flüchtlingsproblematik. Die Themen Schutz der EU-Außengrenzen und Rückführung von abgelehnten Asylantragstellern bilden den Auftakt für die Innenminister. Eine Stärkung der EU-Grenzschutz-Agentur Frontex, des Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen EASO und der europäischen Polizeibehörde Europol sind geplant - mehr Personal, mehr Zuständigkeiten, neue Technologien. Die Minister wollen Möglichkeiten erörtern. Entscheidungen könnten zum Aktionsplan zur Rückführung von abgelehnten Asylantragstellern und dem Rückführungshandbuch fallen. Beides hatte die EU-Kommission im Sommer vorgeschlagen. Das Ziel: Alle EU-Mitgliedsstaaten sollen die gleichen Prozeduren anwenden.

Rein informativ wird der Austausch mit der EU-Kommission zu den Fortschritten bei der Erstellung einer gemeinsamen Liste von sicheren Herkunftsländern und den Überlegungen zu Neuregelungen der Dubliner Flüchtlingsabkommen sein. Die Kommission wird auch über die Fortschritte berichten, die es bei der Verteilung der 40 000 Flüchtlinge gibt, die laut Ratsbeschluss vom 14. September von Italien und Griechenland in andere EU-Länder weitergeleitet werden sollten. Möglichkeiten eines gemeinsamen, grenzüberschreitenden Vorgehens gegen Fremdenfeindlichkeit, ausgelöst durch die Flüchtlingswelle, sollen am Freitag diskutiert werden.

Am Donnerstagabend wird am Rande des Ministertreffens die hochrangige Konferenz zur Route vom östlichen Mittelmeer über den Balkan in die EU tagen. Ziel dieser Konferenz ist es, Lösungen für den Flüchtlingsstrom vor allem aus Syrien zu finden. Es geht um den vernünftigen und aufeinander abgestimmter Umgang mit den Menschen auf der einen und die Bekämpfung der Fluchtursachen auf der anderen Seite, damit die Menschen sich erst gar nicht auf den Weg in die Union machen müssen.

Neben den EU-Innenministern werden auch die EU-Außenminister erwartet. Gesprächspartner sollen Vertreter der Türkei, Jordaniens und Libanons, aller betroffenen Westbalkan-Staaten sowie der EU-assoziierten Staaten Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein sein. Am Ende soll eine Erklärung stehen. Sie wird Diskussionsgegenstand des Außenministertreffens am Montag sein. Hier könnten - so die bisherigen Informationen in Brüssel - auch Entscheidungen zu diesem Thema fallen.

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