Tsipras will »die Zähne zusammenbeißen«

Griechischer Premier gewinnt Vertrauensabstimmung im Parlament / SYRIZA-Chef kritisiert Opposition: Was ist denn ihre Vision? / Nea Dimokratia und PASOK lehnen Unterstützung ab

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Berlin. Der wiedergewählte griechische Premier Alexis Tsipras hat wie erwartet in Athen den Segen für seine Regierungspläne erhalten: Zwei Wochen nach seinem Wahlsieg erhielt er am frühen Donnerstagmorgen das Vertrauen der Mehrheit des Parlaments: Alle 155 Abgeordneten der SYRIZA-geführten Koalitionsregierung votierten für Tsipras, 144 Abgeordnete der Opposition stimmten mit »Nein«. Ein Abgeordneter war abwesend, teilte das Parlamentspräsidium nach einer dreitägigen Debatte mit.

Der Chef der Linkspartei SYRIZA hatte in seiner Regierungserklärung zuvor seine Pläne präsentiert: eine möglichst sozial verträgliche Umsetzung der Auflagen der Gläubiger, eine rasche Aufnahme von Gesprächen über deutliche Schuldenerleichterungen und einige Änderungen an den Bedingungen für das Kreditprogramm, die Rekapitalisierung der notleidenden Banken sowie eine tief greifende Reform der staatlichen Strukturen.

Tsipras sagte weiter, das nun für vier Jahre gewählte Parlament könne dasjenige sein, das Griechenland aus der Krise holt. Der Premier rechnet mit einem Wiederanziehen des Wachstums der Wirtschaft in der ersten Hälfte des Jahres 2016. »Anfang 2017 können wir wieder Zugang zu den internationalen Anleihemärkten haben«, so der SYRIZA-Chef.

Tsipras machte dabei keinen Hehl daraus, dass den Griechen schwierige Zeiten bevorstehen: »Wir müssen die Zähne zusammenbeißen.« Er warf der Opposition vor, ihn nur zu kritisieren und keine Vorschläge zu machen. »Ich habe keine Vorschläge seitens der Opposition gehört. Sie haben uns nicht gesagt, welche Ihre Vision ist, wie das Land aus der Krise herauskommen soll«, so Tsipras. Er bezeichnete die Haltung der Opposition als Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb, der unter dem Motto »Macht Tsipras das Leben schwerer« stehe.

Der Chef der konservativen Nea Dimokratia, Evangelos Meimarakis, kritisierte die programmatischen Erklärungen von Tsipras. »Der Winter, der kommt, wird hart sein. Vielleicht wird er der härteste der letzten Jahre sein«, sagte Meimarakis vor der Abstimmung. Er warf Tsipras vor, neue Steuern in Höhe von 6,4 Milliarden Euro zu planen. Dabei würden vor allem Rentner und Beschäftigte belastet, meinte Meimarakis. »Ist das ihr linkes Programm?« Der Etatentwurf von Finanzminister Efklidis Tsakalotos werde die Wirtschaft weiter schrumpfen und die Arbeitslosigkeit weiter steigen lassen.

Meimarakis kündigte einerseits an, weiter alle Kürzungen und Privatisierungen zu unterstützen - »neue Steuern aber nicht«. Deswegen werde die Nea Dimokratia der SYRIZA-geführten Regierung auch nicht das Vertrauen aussprechen.

Tsipras mischte sich am Abend in die Rede des Konservativen ein und erinnerte den Nea-Dimokratia-Chef daran, dass die Griechen am 20. September über den Kurs entschieden hätten - und seine Partei deutlich an Boden verloren habe. Griechenland brauche »Visionen und einen Plan«, so Tsipras, nicht nur »Rhetorik im Vorfeld der Wahlen«.

Die Vorsitzende der sozialdemokratischen PASOK, Fofi Gennimata, wies derweil einen Appell von Tsipras zurück, in dem dieser PASOK aufgerufen hatte, sich in eine »progressiven Front gegen den Neoliberalismus« einzureihen. Gennimata sagte, Tsipras selbst habe in seiner Regierungserklärung »Null Zeichen der Progressivität« gesetzt. Zudem kritisierte sie scharf, dass SYRIZA abermals mit einem »rechten Auswuchs des politischen Systems« kooperiere - mit der nationalistischen ANEL. Daher werde PASOK weder eine »Reserve« für SYRIZA im Parlament bilden, noch sich zu »naiven Komplizen« der Politik der Tsipras-Regierung machen lassen.

Finanzminister Tsakalotos legte dem Parlament parallel zur Regierungserklärung einen Entwurf des Haushaltes vor. Die Schulden des griechischen Staates sollen im nächsten Jahr auf 333,5 Milliarden Euro steigen, das wären 192,4 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP). Zum Vergleich: Ende 2015 sollen die Schulden 315,8 Milliarden Euro betragen (181,8 Prozent des BIP). Die Arbeitslosigkeit wird der Prognose nach 2016 mit 25,8 Prozent weiter extrem hoch bleiben.

Ende Oktober wollen die Gläubiger-Institutionen EU-Kommission, Europäische Zentralbank, Europäischem Stabilitätsmechanismus und Internationaler Währungsfonds die Umsetzung der Auflagen für das Kreditprogramm prüfen. Davon hängt ab, ob eine zwei Milliarden Euro umfassende Kredittranche freigegeben wird. Verlangt werden unter anderem umstrittene Eingriffe in das Rentensystems sowie weitere Steuererhöhungen. nd/Agenturen

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