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Pegida will mit Orban feiern

Seit einem Jahr gehen die »Patriotischen Europäer« auf die Straße

  • Johannes Richter
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Pegida-Bewegung hat die Republik und vor allem Sachsen verändert. Zum einjährigen Jubiläum will Mitbegründer Lutz Bachmann Ungarns Regierungschef Victor Orban nach Dresden holen.

Es wird der 44. Aufmarsch von Pegida sein, der am 19. Oktober durch Dresden zieht. An diesem Tag möchte sich die rassistische Bewegung für ihr einjähriges Bestehen selbst feiern. Ein Jahr »Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« gibt Grund für einen Rückblick: Am 20. Oktober 2014 liefen erstmals 350 Menschen unter dem Label Pegida gegen »Glaubenskriege auf deutschen Boden« in Dresden. Im zwölfköpfigen Pegida-Führungskreis um Initiator Lutz Bachmann waren zu diesem Zeitpunkt eher Akteure aus der Dresdner Party- und Sportszene und nur zwei Personen mit explizit politischer Vorerfahrung; darunter Thomas Tallacker, damals noch CDU-Stadtratsmitglied aus Meißen. Anlass waren Anfang Oktober 2014 eine kurdische Solidaritätsdemonstration in Dresden sowie Ausschreitungen zwischen Kurden und islamischen Fundamentalisten in Celle und Hamburg.

Enthüllungen Ende November über Vorstrafen von Lutz Bachmann und seine einstige Flucht nach Südafrika, um einer Haftstrafe zu entgehen, führten zu keinem Einbruch bei den Teilnehmerzahlen. Im Dezember gründete das Organisatorenteam den Verein Pegida, zu dessen Vorsitzenden Bachmann gewählt wurde. Am 12. Januar 2015, dem Montag nach den Terroranschlägen um die Satirezeitung Charlie Hebdo, zählte die Polizei bis zu 25 000 Teilnehmer. Im gleichen Zeitraum gründeten sich in ganz Deutschland »Gida-Ableger«, jedoch konnte nirgendwo solcher Zuspruch verzeichnet werden wie in Dresden. Auf Facebook tauchten im Februar eindeutig rassistische Äußerungen und ein »Hitler-Selfie« von Bachmann auf. Daraufhin trat Kathrin Oertel, bis dahin Pressesprecherin, mit weiteren Organisatoren zurück. An ihre Stelle rückte Tatjana Festerling, die für Pegida bei den Dresdner Bürgermeisterwahlen im Juni fast zehn Prozent holte.

Mitte September verkündete Bachmann, was er vorher immer verurteilt und ausgeschlossen hatte: die Gründung einer Partei. Dieser Paradigmenwechsel führte innerhalb der Bewegung jedoch zu keinem Bruch. Initiator Lutz Bachmann denkt gerne mal eine Nummer größer. Bachmann wurde mittlerweile wegen Volksverhetzung angeklagt. Das Amtsgericht Dresden prüft derzeit die Eröffnung eines Verfahrens.

Für das Jubiläum der montäglichen Aufmärsche hat er Europas bekannteste Rechtspopulisten sowie den ungarischen Ministerpräsidenten Victor Orbán eingeladen. Dass bei Pegida ein europaweit bekannter Rechtspopulist spricht, wäre nicht das erste Mal. Bereits im April sollte Geerd Wilders den zu diesem Zeitpunkt schwächelnden Aufmärschen neuen Rückenwind geben. Doch erst seit September steigt die Teilnehmerzahl wieder deutlich. Rund 9.000 Anhäger waren am vergangenen Montag auf die Straße gegangen.

Innerhalb eines Jahres half Pegida, »den Rassismus der Mitte« zu radikalisieren und ihm einen Ausdruck zu geben. »Pegida und seine Ableger sind mindestens geistige Brandstifer«, resümiert Juliane Nagel (LINKE). Dafür sprechen auch die Zahlen der Opferberatung für rassistische und rechte Gewalt in Dresden, welche bereits zum Halbjahr die Größenordnung vom gesamten Vorjahr erreicht haben. »Rassistische Angriffe haben in Dresden spätestens mit Pegida sehr stark zugenommen«, zieht Andrea Hübler von der Opferberatung Fazit. Für Nagel trägt die sächsische Landesregierung eine Mitschuld, an der rassistischen Stimmung im Land. Die sächsische CDU habe Pegida von Anfang an hofiert. Sogar ein persönliches Treffen mit Innenminister Markus Ulbig (CDU) hat es gegeben. »Insofern muss sich der Ministerpräsident nicht darüber wundern, dass Sachsen das Land mit den meisten Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte und hasserfüllten Aufmärschen ist«, fasst Nagel zusammen.

In Dresden will man gegen Pegida ein Zeichen setzen. Mehrere Initiativen, Parteien und Verbände rufen für den 19. Oktober zu einem Sternmarsch unter dem Motto »Es reicht! Herz statt Hetze« auf. Wie das Bündnis Dresden Nazifrei als Mitorganisator am Freitag mitteilte, sind vier Routen angemeldet.

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