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Bundesgerichtshof: Hausmann muss für Kindesunterhalt Nebenjob annehmen
Im konkreten Fall ging es um einen Brasilianer, der in seiner zweiten Ehe den Haushalt und die Betreuung der drei Kinder übernommen hatte, weil seine Frau als Diplompädagogin deutlich mehr verdiente.
Laut BGH ist ihm ein Nebenerwerb in Höhe von 325 Euro im Monat zumutbar, um zugleich zum Unterhalt seiner beiden 1990 und 1991 geborenen Kinder aus erster Ehe beizutragen. Außerdem muss er ihnen das zukommen lassen, was ihm an »Taschengeld« von seiner Frau zusteht, die als Diplompädagogin rund 2500 Euro monatlich verdient. In dem Fall sind das rund 100 Euro.
Zugleich verschärfte das Karlsruher Gericht diese schon bisher geltende Rechtsprechung in einem entscheidenden Punkt: Es bleibt auch dann bei dem Anspruch gegen den Hausmann oder auch die Hausfrau, wenn er oder sie mit einem Vollzeitjob so wenig verdienen würde, dass weniger oder gar nichts für den Unterhalt übrig bliebe. So wäre es im konkreten Fall gewesen: Hätte der Mann eine volle Erwerbstätigkeit aufgenommen, hätte er davon zunächst sein eigenes Unterhaltsminimum von 890 Euro abziehen dürfen und den Rest dann auf alle fünf Kinder verteilt, so dass die Zahlungen unter dem Strich noch geringer ausgefallen wären als in der jetzigen Konstellation. Laut BGH kann er sich auf diese rechnerisch geringere Unterhaltspflicht nicht berufen.
Im Prinzip hält der Familiensenat damit an seiner »Hausmannrechtsprechung« fest. Danach darf, wer Unterhaltspflichten für Kinder aus einer früheren Ehe hat, in zweiter Ehe trotzdem den Haushalt übernehmen - allerdings nur, wenn das »gewichtige Vorteile« für die neue Familie bringt. Andernfalls muss er sich einen Vollzeitjob anrechnen lassen.
Im konkreten Fall akzeptierte der BGH die Hausmannrolle, weil der Mann wegen der Sprachprobleme und einer nicht anerkannten Bauzeichnerausbildung deutlich weniger verdient hätte als seine Frau. Allerdings ist ihm dann eine Nebentätigkeit zumutbar, deren Umfang im Einzelfall geklärt werden muss. Ist - wie in diesem Fall - der eigene Unterhalt durch Ansprüche gegen die neue Frau gesichert, muss er das Geld an die Kinder aus erster Ehe abführen.
Urteil des Bundesgerichtshofes vom 5. Oktober 2006 - Az: XII ZR 197/02
Frist zur Nachzahlung von Krankenkassenbeiträgen
Krankenkassen müssen säumigen Versicherten eine Frist von zwei Wochen gewähren, bevor sie eine freiwillige Mitgliedschaft kündigen. Das entschied das Hessische Landessozialgericht in einem kürzlich veröffentlichten Urteil. Demnach ende die freiwillige Mitgliedschaft in einer Krankenkasse zwar, wenn zwei Monatsbeiträge nicht gezahlt wurden. Die Kasse müsse den Versicherten aber auf die Folgen von Beitragsrückständen aufmerksam machen und ihm die Möglichkeit geben, diese in angemessener Frist von mindestens zwei Wochen zu begleichen.
Das Gericht gab damit einem Kläger Recht, dem zur Nachzahlung von zwei Monatsbeiträgen lediglich sieben Tage bis zum monatlichen Zahltag eingeräumt wurden. Da der Betroffene nicht rechtzeitig informiert wurde, verlängert sich die freiwillige Mitgliedschaft bis zum Zahltag des Folgemonats, urteilten die Richter.
Urteil des Hessischen Landessozialgerichts - Az: AZ L 1 KR 204/05
Sterilisation nur im »äußersten Notfall«
Ein Arzt darf die Sterilisation einer Frau ohne deren ausdrückliche Einwilligung nur im »äußersten Notfall« vornehmen. Das geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz hervor. Wegen der mit dem Eingriff verbundenen Folgen dürfe deren mutmaßliche Einwilligung nicht vorschnell unterstellt werden. Das OLG hob eine Entscheidung des Landgerichts Koblenz auf und verurteilte einen Arzt zur Zahlung von 15 000 Euro Schmerzensgeld. Er hatte während einer Kaiserschnitt-Geburt Verwachsungen im Bauchraum der Klägerin festgestellt, die bei einer weiteren Schwangerschaft zu erheblichen Komplikationen hätten führen können. Er entschloss sich deshalb, die narkotisierte Frau zu sterilisieren. Der Arzt habe vorschnell gehandelt, befand das OLG. Da keine akute Lebensgefahr bestand, hätte er warten können, ob die Frau bei einer künftigen Schwangerschaft das Risiko von Komplikationen auf sich genommen hätte. Eine Sterilisation hätte später und nach Rücksprache mit der Klägerin stattfinden können.
Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz - Az.: 5 U 290/06
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