Von wegen blinder Aktionismus

  • Martin Ascher
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Kultur braucht in Italien das Ehrenamt. Der »Associazionismo« ist weit verbreitet.

»Die Kultur ist ein Wachstums- und Entwicklungsfaktor, sie wird Italien und die Welt retten« - pathetische Worte des italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi bei einer internationalen Konferenz von Kulturministern. Renzis Wertschätzung für die Kultur korrespondiert indes nicht mit den finanziellen Mitteln, die der italienische Staat bereitstellt. Er gab im Jahr 2013 lediglich 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für den kulturellen Sektor aus - und fand sich damit unter allen EU-Staaten auf dem vorletzten Platz wieder. Nur in Griechenland investierte der Staat weniger. Der Trend zeigt nach unten - und das nicht erst, seit das Land mit den meisten UNESCO-Welterbestätten durch die Austeritätspolitik zum Sparen gezwungen ist. Daran dürfte auch die Ankündigung Renzis, neue Stellen in Schulen und Museen zu schaffen, nicht viel ändern.

Was der Staat nicht leistet, wird in Italien zumindest teilweise durch ehrenamtliches Engagement aufgefangen. Der Associazionismo, also das Vereinswesen, wirkt dabei als »Gegenmittel für die soziale, kulturelle und demokratische Wüstenbildung«. So sieht es die ARCI (Vereinigung für Freizeit und Kultur), mit mehr als einer Million Mitgliedern die größte Associazone di promozione sociale. Diese Vereinsform wurde 2000 eingeführt, um den besonderen Wert des Associazionismo als »Ausdruck von Partizipation, Solidarität und Pluralismus« zu würdigen, wie es im dazugehörigen Gesetzestext heißt. Die ARCI unterhält ein Netz von knapp 5000 lokalen Vereinen in ganz Italien und widmet sich so unterschiedlichen Zielsetzungen wie der Förderung von Inklusion, des Friedens und der Kultur.

Das Ehrenamt erfreut sich in Italien ähnlich großer Beliebtheit wie in Deutschland. Laut dem nationalen Institut für Statistik ISTAT engagierten sich im Jahr 2013 mehr als 4,7 Millionen Freiwillige in über 300 000 Non-Profit-Organisationen - deren Zahl nahm im Vergleich zu 2001 um 28 Prozent zu. Knapp 90 Prozent davon sind nicht-eingetragene und eingetragene Vereine, der Rest verteilt sich auf Kooperativen, Stiftungen und andere juristische Formen.

Die Aktivitäten der Associazioni sind vielfältig, wobei der größte Teil auf das Wohlfahrtswesen und auf Vereine mit sportlichen oder kulturellen Zielsetzungen entfällt. Um eine Associazione zu gründen reichen drei Personen, die Festlegung von Statuten und ein Gründungsdokument, in dem die Zielsetzungen festgelegt werden. Von steuerlichen Erleichterungen profitieren, wie in Deutschland, auch nicht-eingetragene Vereine.

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