Zeichen ukrainischer Spaltung

Die Regionalwahlen widerspiegelten politische Unruhe und Zerrissenheit

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 3 Min.
Niedrige Wahlbeteiligung und große Probleme im Donbass: Die Regionalwahlen in der Ukraine liefen alles andere als optimal. In Kiew muss Vitali Klitschko in die zweite Runde, steht aber vor Wiederwahl.

Am Ende des langen Wahltages wirkte Vitali Klitschko zufrieden und erleichtert. Der amtierende Bürgermeister von Kiew wurde zwar am Sonntag nicht gleich im ersten Wahlgang in seinem Amt bestätigt. Doch mit bis zu 40 Prozent der Stimmen, die Klitschko laut Hochrechnungen bei der Bürgermeisterwahl erhielt, lag der frühere Boxweltmeister deutlich über den Erwartungen. »Natürlich hätte ich gerne auf die Stichwahl verzichtet. So hätten wir auch viel Geld sparen können. Aber es ist halt so, wie es ist«, sagte der 42-Jährige Politiker, der im Mai 2014 noch mit fast 57 Prozent gewählt wurde.

»Damals waren die Erwartungen groß. Auch deswegen habe ich einiges verloren. Doch in der Situation, in der wir jetzt als Land stecken, sind diese 40 Prozent wirklich kein schlechtes Ergebnis«, erklärte Klitschko, dessen Vorsprung vor den anderen Kandidaten trotz der mageren Mehrheit überraschend groß ist. Mindestens vier von Klitschkos Mitbewerbern haben noch eine Chance auf den zweiten Wahlgang, doch keiner erhielt voraussichtlich mehr als 10 Prozent. So wird die Stichwahl am 15. November wohl zu einer Formalität.

Während die Regionalwahlen in der Hauptstadt ruhig abliefen, sah die Lage im Osten des Landes ganz anders aus. Vor allem im Regierungsbezirk Donezk gab es am Sonntag große Probleme. In Mariupol, der größten Stadt der Region unter Kontrolle Kiews, sowie in Krasnoarmijsk fiel die Wahl aus. Die Gründe sind in beiden Fällen ähnlich: Heftige Streitereien innerhalb der Wahlkommissionen führten dazu, dass die Wahlzettel falsch gedruckt wurden. Sie konnten nicht mehr rechtzeitig ersetzt werden.

»Die Situation in Mariupol ist komplett inakzeptabel. Wir müssen jetzt alles dafür tun, damit die Wahlen dort so schnell wie möglich stattfinden können«, kommentierte Präsident Petro Poroschenko. Als möglicher Wiederholungstermin wird jetzt der 15. November genannt. »Die Absage der Wahlen in Mariupol und Krasnoarmijsk ist kein gutes Zeichen für die Stabilität in der Region«, sagte Poroschenko. In Teilen des Donbass, die von Separatisten kontrolliert werden, wird erst 2016 abgestimmt.

Landesweit konnte sich bei der relativ niedrigen Wahlbeteiligung von 46,6 Prozent in erster Linie Poroschenkos Partei Solidarnost behaupten. Die Partei, die derzeit formell von Vitali Klitschko angeführt wird, schaffte es fast in allen Regionen unter die ersten Drei. Der erhoffte Achtungserfolg der Vaterlandspartei von Ex-Premierministerin Julia Timoschenko blieb allerdings aus. Dafür gewann der Oppositionsblock, der überwiegend aus ehemaligen Mitgliedern der Partei der Regionen besteht, gleich in sechs Regierungsbezirken. Außer Donezk und Luhansk sind das Dnipropetrowsk, Odessa, Mikolajiw und Saporischschja.

Auch in Charkiw gewann ein ehemaliger Verbündeter des früheren Präsidenten Viktor Janukowitsch. Der umstrittene Bürgermeister Hennadij Kernes wurde im ersten Wahlgang mit fast 60 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Gleichzeitig wird die rechtsradikale Swoboda in der Westukraine stärker. In einigen Regionen wie Iwano-Frankiwsk erhielt die Partei des Nationalisten Oleh Tjahnybok, die bei der Parlamentswahl vor einem Jahr scheiterte, über 30 Prozent. Das zeigt, dass die regionale Spaltung nach wie vor sehr groß ist.

Über Spaltung spricht Vitali Klitschko nicht gern. Lieber über Kiews Zukunft. »Letztes Jahr haben wir die Grundlage für weitere Reformen gelegt. Das Steueraufkommen im Kiewer Haushalt ist um 30 Prozent gestiegen. Jetzt können wir mit richtigen Reformen beginnen«, versprach Klitschko im Gespräch mit »nd«.

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