In die Schule dürfen alle

Rechtslage zu »illegalen« Kindern oft unbekannt

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

»Es darf nicht an Papieren scheitern« - so lautet der Titel und das Anliegen einer Studie zur Beschulung von Kindern, deren Eltern in Deutschland ohne Aufenthaltspapiere leben. Drei Bremer Wissenschaftlerinnen haben im Auftrag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) untersucht, wie das Recht auf Schulbesuch für »Illegale« in Grundschulen umgesetzt wird. Befragt wurden 100 Schulen und Schulbehörden in allen Großstädten mit mehr als 500 000 Einwohnern sowie in allen Landeshauptstädten. Die Studie sei zwar nicht repräsentativ, zeige aber eine deutliche Tendenz, so Dita Vogel, eine der Autorinnen.

Die Rechtslage ist klar. Seit 2011 müssen Bildungs- und Erziehungseinrichtungen ausdrücklich nicht mehr den Ausländerbehörden über Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht berichten. Auch in der UN-Kinderrechtskonvention ist das Recht auf Grundschulbesuch verankert. Doch die Befragung zeigt, dass sich dies noch nicht flächendeckend herumgesprochen hat. So verlangten 58 der 100 Schulen vor einer Anmeldung des Kindes eine Meldebestätigung und 70 eine Geburtsurkunde. Auf die (fiktive) Frage eines Vaters, ob er sein Kind auch ohne Meldebescheinigung anmelden könne, gab es 74 Ablehnungen.

Eindeutig waren auch die Reaktionen auf eine konkrete Anfrage. Eine Erzieherin fragte in der Grundschule nach, ob ein in ihrer Kindertagesstätte betreutes Kind ohne Aufenthaltspapiere aufgenommen werden könnte. Über die Hälfte der Schulen und Schulämter lehnte ab. Begründet wurde dies oft damit, dass eine Aufnahme illegal sei, erläuterte Mitautorin Barbara J. Funck. Aufgrund der geringen Befragungsdichte könnten zu regionalen Unterschieden zwar keine belastbaren Aussagen getroffen werden, aber tendenziell gingen die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen offener mit der Beschulung »illegaler« Kinder um.

Wie viele Kinder im Grundschulalter mit ihren Familien derzeit ohne Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung in Deutschland leben, ist nicht bekannt. Die Schätzungen gehen weit auseinander - von einigen Tausend bis zu einigen Zehntausend. Doch diese Zahlen werden aufgrund der jüngsten Verschärfungen des Asylrechts voraussichtlich ansteigen, da viele von schneller Abschiebung bedrohte Familien »abtauchen« könnten.

»Alle diese Kinder haben vom ersten Tag an das Recht auf Schulbesuch, alles andere ist Diskriminierung«, sagte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. In dieser Frage sei man sich mit allen Bildungsgewerkschaften der Welt einig. Für sie seien die Ergebnisse der Studie ein »Alarmsignal«. Die Gewerkschaft will nun eine bundesweite Aufklärungskampagne starten, die sich vor allem an Lehrkräfte und andere Beschäftigte an Schulen - vor allem auch in den Sekretariaten - wendet, aber auch an Schulbehörden.

Auf politischer Ebene will die GEW, wo immer es nötig erscheine, auch an zuständige Minister und Senatoren herantreten. Die Gewerkschaft erwarte öffentliche Klarstellungen, »dass auch Kinder ohne Papiere ein uneingeschränktes Recht auf Schulbesuch haben«, so Tepe. Die Schulgesetze der Länder müssten dies eindeutig klarstellen.

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