Maas verzichtet auf Strafanzeige gegen Bachmann

SPD empört: Goebbels-Vergleich von Pegida-Bachmann / Rund 8.000 gegen Flüchtlinge und Asylrecht auf der Straße / Mehrere Hundert protestieren auch in Leipzig gegen rechten Spuk / Erfolgreiche Blockade von NPD-Aufmarsch in Berlin

  • Lesedauer: 6 Min.

Update 16.25 Uhr: Braunschweig verlegt Gedenken an Reichspogromnacht für »Bragida«-Kundgebung
Die Route der geplanten Demonstration des »Braunschweiger Bündnis gegen rechts« in Gedenken an die Reichspogromnacht am 9. November muss einer Kundgebung des Pegida-Ablegers »Bragida« weichen. Dies entschied die Braunschweiger Stadtverwaltung. Die Kundgebung des Bündnisses muss vom zentralen Platz der Deutschen Einheit vor dem Rathaus auf den Domplatz verlegt werden, da am Rathaus die früher angemeldete »Bragida«-Versammlung stattfinden soll.

Das »Bündnis gegen rechts« kritisierte diese Entscheidung der Stadtverwaltung scharf: »Rechtspopulisten und Neonazis wird der Rathausplatz überlassen, während diejenigen weichen müssen, die an die Verbrechen des NS-Regimes erinnern und die Vertreter der Verfolgten zu Wort kommen lassen«, erklärte David Janzen, Sprecher des Bündnisses, am Dienstag.

Update 11.50 Uhr: Maas verzichtet auf Strafanzeige gegen Bachmann
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will keine Strafanzeige gegen Pegida-Gründer Lutz Bachmann stellen, nachdem der ihn mit dem Nazi-Chefpropagandisten Joseph Goebbels verglichen hat. Das teilte ein Sprecher des Ministers am Dienstag auf Anfrage in Berlin mit.

Zwar hat die Staatsanwaltschaft Dresden wegen des Verdachts der Beleidigung tatsächlich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und sichert nun zunächst Beweismittel, wie Behördensprecher Lorenz Haase am Dienstag sagte. Zur weiteren Strafverfolgung sei bei einem Beleidigungsdelikt aber ein Strafantrag des Betroffenen nötig - und dazu liege bislang nichts von Maas in Dresden vor.

Update 11.45 Uhr: Auschwitz-Komitee entsetzt über Goebbels-Vergleich bei Pegida-Demo
Die jüngste Entgleisung des Pegida-Chefs Lutz Bachmann ist vom Internationalen Auschwitz-Komitee mit »Erstaunen und Ekel« kommentiert worden. Bachmann hatte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) auf einer Kundgebung mit dem Nazi-Chefpropagandisten Joseph Goebbels verglichen. Damit hat er sich nach Ansicht des Komitees eindeutig »in die braune Ecke« gestellt. Im Internationalen Auschwitz-Komitee sind Stiftungen, Organisationen und Holocaust-Überlebende aus insgesamt 19 Ländern vertreten.

Dessen Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner erklärte am Dienstag in Berlin: »Das dümmliche Anröhren des Herrn Bachmann gegen Minister Maas hat seinen Grund: Gerade dessen glasklare Haltung gegenüber Rechtsextremismus und Volksverhetzung hat in den letzten Monaten erheblich zur demokratischen Stabilität in Deutschland beigetragen und besonders junge Menschen beeindruckt.«

Update 9.40 Uhr: Erfolgreiche Blockade von NPD-Aufmarsch in Berlin
Im Berliner Stadtteil Johannisthal hat die NPD am Montagabend gegen eine Unterkunft für 500 Flüchtlinge protestiert. Rund 1000 antirassistische Gegendemonstranten blockierten die Demonstration und verhinderten so, dass die etwa 170 Nazis vor die Unterkunft ziehen konnten. Vor der Unterkunft wurden Solidaritätsparolen skandiert und Lieder gesungen. Die Flüchtlinge bedankten sich bei den Aktivisten mit einem Blumenstrauß für den Schutz. Es seien 850 Polizisten im Einsatz gewesen, teilte die Polizei am Dienstag mit.

Update 9 Uhr: Rechte marschieren in Greifswald, Wolgast und Grevesmühlen
Anhänger der rechten Pegida-Bewegung und der neonazistischen NPD sind am Montag auch in Mecklenburg-Voropommern aufmarschiert. In Greifswald schlossen sich laut Polizei rund 200 Personen einem rechten Aufmarsch an, ebenso viele protestierten dagegen. »Patrioten und Neonazis stellten sich vereinzelt provokant vor Gegendemonstranten und begannen diese mit Taschenlampen anzuleuchten«, hieß es bei einer antifaschistischen Uni-Gruppe. Linke versuchten, den rechten Aufmarsch mit drei kurzen Sitzblockaden zu stoppen. In Wolgast beteiligtn sich rund 750 Personen an einem NPD-Aufmarsch unter dem Motto »Heimat und Identität bewahren! Asylflut stoppen!« Etwa 220 Menschen stellten sich mit einer Lichterkette für Solidarität, Hilfsbereitschaft und gegen Fremdenfeindlichkeit dagegen. In Grevesmühlen fand eine Veranstaltung des Pegida-Ablegers MVgida statt. Die Polizei ermittelt wegen Hitlergrüßen und Volksverhetzung. Auch gegen diesen Naziaufmarsch hatte es Proteste gegeben.

Update 8.45 Uhr Feuerwehrmann will Asylheime nicht löschen
Im sächsischen Irbersdorf sorgt ein Feuerwehrmann für Empörung: Der Mann hatte sich mit einer Petition an die Stadt Frankenberg gewandt und darin gefordert, von der Brandbekämpfung in Asylbewerberheimem entbunden zu werden, wie die »Freie Presse« berichtet. Zur Begründung nannte der Mann den Eigenschutz. Die Stadt wies das beschämende Ansinnen zurück, die Feuerwehr sagte, eine Verweigerung eines Einsatzes sei eine Dienstpflichtverletzung. Auch mache man keine Unterschiede, wer gerettet wird. Die Stadtwehr sprach einer privaten Meinung und distanzierte sich.

SPD empört: Goebbels-Vergleich von Pegida-Bachmann

Berlin. Erneut sorgt eine Äußerung bei einem Aufmarsch der rechten Pegida-Bewegung für helle Empörung: Der Frontmann des Dresdner Anti-Asyl-Netzwerkes Lutz Bachmann hatte am Montagabend Justizminister Heiko Maas von der SPD unter anderem mit dem NS-Propagandaminister verglichen. Er bezeichnete Maas als den »schlimmsten geistigen Brandstifter« seit Joseph Goebbels und Karl-Eduard von Schnitzler, Chefkommentator des DDR-Fernsehens und Moderator der Sendung »Der schwarze Kanal«.

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi reagierte in scharfen Worten. »Das ist eine weitere beabsichtige Entgleisung von Pegida - kein Ausrutscher, kein Versehen!«, sagte Fahimi »Spiegel Online«. Bachmanns Vergleich sei »an Hirnlosigkeit nicht zu überbieten«. Fahimi sagte, Bachmann sei »ein wahnsinniger Faschist«, der einen »durch und durch anständigen Menschen wie Heiko Maas mit dem Chefideologen des ›Dritten Reiches‹« vergleiche. »Das ist perfide und ekelhafte Rattenfängerei, wie sie schlimmer nicht mehr werden kann«, sagte die SPD-Generalsekretärin.

Die SPD forderte umgehend Ermittlungen gegen Bachmann. SPD-Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel sagte der Deutschen Presse-Agentur: »Verfassungsfeinde wie Bachmann sind ein klarer Fall für den Staatsanwalt und schon lange für den Verfassungsschutz.« Den »rechtsextremen Kriminellen« in der Führung von Pegida dürfe keinen Millimeter Raum gegeben werden. »Der Hass von Pegida bereitet den Boden für die Schlägerrudel, die Flüchtlinge überfallen oder Wohnheime anzünden«, sagte der hessische SPD-Landeschef.

SPD-Bundesvize Ralf Stegner reagierte ebenfalls empört: »Der verurteilte Straftäter und PEGIDIOT Bachmann vergleicht Heiko Maas mit Goebbels - dieser ekelhafte Brandstifter gehört vor den Kadi!«, schrieb er bei Twitter.

Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) verurteilte Bachmanns Äußerungen scharf. »Die Anwürfe gegen den Bundesjustizminister Heiko Maas sind ungeheuerlich. Sie zielen auf den Wesenskern unserer Zivilgesellschaft. Der Justizminister hat sich mehr als jeder anderer Bundesminister frühzeitig gegen die Pegida-Bewegung gestellt und wird jetzt schwer und in unerträglicher Weise diffamiert«, sagte DAV-Präsident Ulrich Schellenberg. »Die Zivilgesellschaft ist jetzt aufgefordert, klare Grenzen aufzuzeigen. Nach solchen Äußerungen kann es keine bürgerlichen Mitläufer dieser Bewegung mehr geben«, fügte Schellenberg hinzu.

Der wegen Drogen- und Eigentumsdelikten vorbestrafte Bachmann ist bereits wegen Volksverhetzung angeklagt. Grundlage sind ausländerverachtende Facebook-Postings des Pegida-Chefs, die im Januar bekanntgeworden waren und auch zu einer Spaltung der Pegida-Führung geführt hatten. In den im Herbst 2014 verfassten Kommentaren hatte er Ausländer als »Viehzeug«, »Gelumpe« und »Dreckspack« bezeichnet.

Die Dresdner Polizei sah am Montagabend keine Notwendigkeit, einzuschreiten. »Die juristische Bewertung des Gesagten muss die Staatsanwaltschaft und nicht die Polizei vornehmen«, sagte Polizeisprecher Thomas Geithner. Die Redner seien bekannt, so dass kein Handlungszwang bestanden habe.

Laut der Initiative »Durchgezählt« waren am Montagabend bis zu 8.000 Anhänger der rechten Pegida-Bewegung gefolgt. In Sicht und Hörweite des Pegida-Aufmarsches demonstrierten mehrere Hundert Menschen gegen Hass und Hetze und für Weltoffenheit. Aufgerufen hatte die Gruppe Gepida - »Genervte Einwohner protestieren gegen Intoleranz Dresdner Außenseiter«. Die Polizei war mit über 400 Beamten im Einsatz.

In Leipzig ging der Pegida-Ableger Legida auf die Straße. Hier schätzte Durchgezählt die Zahl der Teilnehmer auf bis zu 800; an Gegenprotesten beteiligten sich demnach bis zu 600 Menschen. Größere Zwischenfälle wurden weder in Dresden noch in Leipzig bekannt. Agenturen/nd

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