Abgasskandal bei VW weitet sich aus

Auch CO2-Ausstoß vieler Modelle wohl höher als bisher angegeben / Porsche stoppt Auslieferung von Dieselmodell in den USA / Linksfraktion: »Vertrauen in deutsche Abgaskontrollbehörden auf Null«

  • Lesedauer: 5 Min.
Zu rund 800.000 weiteren Autos meldete VW am Dienstagabend »Unregelmäßigkeiten« bei den Abgaswerten. Nun geht es auch um falsche CO2-Daten. Die schwerste Krise des Konzerns nimmt damit immer größere Ausmaße an.

Update 16.15 Uhr: Wenn es einmal nicht läuft – noch ein VW-Rückruf in den USA
Volkswagen ruft in den USA 91.800 Fahrzeuge wegen Problemen an der Nockenwelle in die Werkstätten zurück. Betroffen von dem freiwilligen Rückruf seien unter anderem Benziner vom Typ Jetta, Passat, Beetle und Golf der Modelljahre 2015 und 2016, wie die US-Tochter von VW am Mittwoch mitteilte. Der Wolfsburger Konzern steht in den Vereinigten Staaten bereits wegen der Affäre um manipulierte Abgaswerte bei Diesel-Fahrzeugen stark unter Druck.

Update 15.55 Uhr: Falsche CO2-Angaben betreffen knapp 100.000 VW-Benziner
Die falschen CO2-Angaben bei Volkswagen betreffen nach Angaben der Bundesregierung auch 98.000 Benzinfahrzeuge. Das sagte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Mittwoch im Bundestag. VW hatte am Dienstagabend mitgeteilt, bei Werten zum Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) gebe es »Unregelmäßigkeiten«. Damit könnte der tatsächliche Spritverbrauch von Hunderttausenden Autos höher liegen, als deren Besitzer annahmen.

Update 15.00 Uhr: LINKE: »Vertrauen in deutsche Abgaskontrollbehörden auf Null«
Für die Linksfraktion im Bundestag beschränkt sich der Aufklärungswille bei VW und der bei Verkehrsminister Dobrindt (CSU) angesiedelten Untersuchungskommission nur auf das, was sowieso schon bekannt sei. Von den zuständigen deutschen Kontrollbehörden wie dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) und der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) käme praktisch nichts: »Dobrindt scheint es in alter Verbundenheit mit der Autoindustrie nur um ein Überstehen der Krise zu gehen. Und auch Umweltministerin Hendricks schweigt«,, erklärt Sabine Leidig, verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Die staatlichen Behörden würden Augen und Ohren schließen, »wenn der Verdacht aufkommt, die Autoindustrie könnte manipuliert haben«, so Leidig weiter

Update 14.30 Uhr: Was macht eigentlich das Kraftfahrtbundesamt?
Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) will die Hintergründe des neuen VW-Skandals um zu hohe Werte beim Spritverbrauch und CO2-Ausstoß klären. »Das KBA wird sich der Prüfung dieses Sachverhalts annehmen und mit der gleichen Qualität prüfen wie die Vorwürfe zu Stickoxiden«, sagte ein KBA-Sprecher am Mittwoch auf Anfrage. »So etwas darf natürlich nicht sein«, sagte der Sprecher: »Geltendes Recht ist anzuwenden und es gilt für alle in gleicher Weise.« Wie lange die Prüfung dauern wird, könnte er nicht sagen. Nun fänden Gespräche dazu mit VW statt.

Auf die Frage, warum dem KBA die höheren Werte nicht schon früher aufgefallen sind, antwortete der Sprecher: »Das ist jetzt zu klären. Da befinden sich die Kollegen in einer Phase des Erkenntnisgewinns.« Die Messungen des CO2-Ausstoßes würden von externen technischen Diensten durchgeführt. Dazu gehören unter anderem TÜV, Dekra und ADAC. Von welchem Dienstleister die Gutachten zu den betroffenen Modellen erstellt wurden, konnte der Sprecher nicht sagen.

Update 12.55 Uhr: Laut Bericht »schweres Versäumnis« von VW im Umgang mit US-Behörden
Bei VW ist es einem Bericht zufolge nach dem Beginn des Abgas-Skandals zu einem schweren Versäumnis im Umgang mit den US-Behörden gekommen. Der Autobauer habe die Behörden »unzureichend über den Einbau der völlig legalen Software AECD« in neuen Dieselfahrzeugen informiert, berichtete die »Süddeutsche Zeitung« am Mittwoch unter Berufung auf Konzernkreise. Es sei seit Wochen absehbar gewesen, dass dort »Nachholbedarf« bestehe.

AECD steht für Auxiliary Emission Control Device und ist eine legale Zusatzeinrichtung zur Emissionskontrolle. Autohersteller sind in den USA verpflichtet, einmal pro Jahr und Marke Informationen über die AECD-Software offenzulegen, da sie theoretisch auch zur Manipulation von Abgaswerten missbraucht werden kann. Genau dies wirft die US-Umweltbehörde EPA dem Wolfsburger Konzern vor. Demnach sollen auch Drei-Liter-Dieselmotoren von Premium-Modellen der Tochterfirmen Porsche, Audi und der Marke VW bei Tests manipuliert worden sein. VW bestreitet die Vorwürfe vehement.

Neue Dimension im Abgasskandal bei VW

Der Abgas-Skandal bei Volkswagen erreicht eine neue Dimension: Nicht nur gefährliche Stickoxide, auch klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) dürfte laut internen Untersuchungen von vielen Modellen in größeren Mengen ausgestoßen worden sein als angegeben. Damit könnte der tatsächliche Spritverbrauch von Hunderttausenden Fahrzeugen höher liegen, als deren Besitzer bisher annahmen.

Am Dienstagabend hatte VW nach Manipulationen bei Stickoxid-Werten auch »Unregelmäßigkeiten« bei CO2-Werten einräumen müssen. Es gehe dabei hauptsächlich um Dieselautos, aber auch um eine geringe Anzahl von Benzinern. Wie hoch der gemessene Ausstoß über den offiziellen Werten liegt, sagte ein Sprecher zunächst nicht.

»Nach derzeitigem Erkenntnisstand können davon rund 800.000 Fahrzeuge des Volkswagen-Konzerns betroffen sein«, hieß es in Wolfsburg. Europas größter Autobauer taxierte die wirtschaftlichen Risiken in einer ersten Schätzung auf rund zwei Milliarden Euro.

Diese neuen Ankündigüngen belasteteten den Kurs der Vorzugsaktien von VW Wolfsburger am Mittwoch stark. Das Papier sackte nach dem Handelsbeginn in Frankfurt zeitweise um mehr als 10 Prozent ab.

Bisher ging es in dem Skandal ausschließlich um Stickoxide (NOx). Im September hatte VW eingestanden, bei Abgastests auf dem Prüfstand mit Softwarehilfe die Ergebnisse für Diesel-Motoren manipuliert zu haben. Das Programm schaltet in Testsituationen in einen Sparmodus. In dem Zusammenhang musste VW bereits 6,7 Milliarden Euro zurückstellen.

In den USA, wo der Abgas-Skandal zuerst öffentlich wurde, wandte sich nach einem Bericht des Deutschlandfunks das Energie- und Handelskomitee des US-Repräsentantenhauses mit der Bitte um weitere Informationen an VW-Landeschef Michael Horn. Bis zum 16. November solle dieser weitere Dokumente vorlegen. Die Umweltbehörde EPA wirft VW, Audi und Porsche vor, auch bei größeren Dieselmotoren getäuscht zu haben. Die Unternehmen wiesen die Anschuldigungen zurück.

Porsche stoppte den Verkauf des Geländewagens Cayenne mit Dieselmotor in den USA. Man habe die Auslieferung der entsprechenden Modelle dort vorerst eingestellt, sagte ein Sprecher am Mittwoch. Dies sei eine reine Vorsichtsmaßnahme. Man prüfe die Vorwürfe der EPA noch.

Mit Blick auf die CO2-Werte hatte die Holding der Stuttgarter VW-Luxustochter schon am Dienstagabend angedeutet, dass auch im Ergebnis der Porsche SE ein »belastender Effekt« eintreten könnte. Derzeit gehe man aber für 2015 weiter von einem Gewinn nach Steuern zwischen 0,8 und 1,8 Milliarden Euro aus - auch »unter dem Vorbehalt weiterer Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Dieselthematik«. Agenturen/nd

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