Staatskrise in der Republik Moldau

Demokratische Partei zeigt Bereitschaft zu einer Pro-EU-Koalition mit den Kommunisten

  • David X. Noack
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit Gheorghe Brega von der Liberalen Partei (PL) ernannte Nicolae Timofti, der Präsident der Republik Moldau, jetzt schon den fünften Premier in diesem Jahr.

Die moldauischen Liberalen decken die rechte Flanke des politischen Spektrums ab, stehen für einen Beitritt zu Rumänien und stellen den fünften Premier im Jahr 2015. Doch Brega wird nicht lange im Amt bleiben: Diese Woche erklärten Spitzenpolitiker der Demokratischen Partei (PDM) erstmals ihtre Bereitschaft zu einer Pro-EU-Koalition mit den bisher oppositionellen Kommunisten. Hintergrund für die Ernennung des Übergangspremiers ist eine Staatskrise, die das kleine, zwischen der Ukraine und Rumänien gelegene Land derzeit erlebt. Pro-EU-Demonstranten haben seit Monaten ihre Zeltlager in der Hauptstadt Chisinau aufgeschlagen. In den vergangenen Wochen überschlugen sich dann die Ereignisse.

Erst ließ der Generalstaatsanwalt den Abgeordneten der Liberaldemokratischen Partei (PLDM) Vlad Filat festnehmen. Der frühere Premier und zweitmächtigste Oligarch des Landes soll in einen beispiellosen Bankenskandal involviert sein. Die mitregierenden Demokraten hatten sich bei einer Abstimmung zur Aufhebung der Immunität Filats der Opposition angeschlossen. Dann trat Vlad Plahotniuc, der mächtigste Oligarch des Landes, aus seiner eigenen Partei - der PDM - aus. Und als sich die sozialdemokratische PDM einem Misstrauensvotum gegen den Premierminister anschloss, musste Valeriu Strelet in der Vorwoche abtreten.

Die nun möglicherweise mitregierende Kommunistische Partei (PCRM) orientierte sich in den vergangenen 15 Jahren mehrfach außenpolitische um. Während sie im Herbst 2013 noch einen »Roten Oktober« zur Verhinderung der EU-Assoziation ausriefen, näherten sie sich vor den Wahlen im November 2014 immer mehr den Pro-EU-Parteien an. Vom Februar bis Juli dieses Jahres duldeten sie dann eine Minderheitenregierung von Demokraten und Liberaldemokraten. Die Partei befindet sich wegen ihres Zickzackkurses im freien Fall, ganze Ortsverbände sind ausgetreten.

Überschattet wurden die Koalitionen dieses Jahr durch den »Raub des Jahrhunderts«, so der Volksmund. Kurz vor dem Urnengang im Vorjahr hatten bisher nicht ermittelte Hintermänner Geld von staatlichen Banken im Wert von rund einer Milliarde US-Dollar abgezogen - das entspricht etwa 15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Der Verbleib ist unklar. Weil der moldauische Leu massiv an Wert verlor, was dem Lebensstandard der eh schon verarmten Massen zusetzte, gingen Zehntausende auf die Straßen - organisiert in zwei verschiedenen Lagern. Bürgerliche Medien sowie ein dubioser Untersuchungsbericht vermuteten lange den Oligarchen Ilan Schor hinter dem Betrug. Dieser ließ sich daraufhin auf dem Ticket der Partei der russischen Minderheit »Gleichheit« zum Bürgermeister der sechstgrößten Stadt des Landes wählen. Ihm droht mittlerweile keine Haft mehr, Schor gilt als Kronzeuge gegen Filat.

In der Bevölkerung hat sich die Stimmung derweil gedreht. Bei den Kommunalwahlen im Juni gelang es dem pro-eurasischen Politiker Renato Usatîi, Bürgermeister von Balti zu werden. Die zweitgrößte Stadt des Landes gilt als Hochburg der Ukrainer. Im bürgerlichen Lager verschob sich der Einfluss weg von den Liberaldemokraten, die sich für eine EU- und NATO-Mitgliedschaft des Landes aussprechen, hin zu den neutralistischen Demokraten.

Nun scheint alles möglich zu sein. Gerüchte machen den Umlauf, Demokraten und Kommunisten könnten fusionieren. Medien berichten, PDM, PCRM und die Sozialistische Partei (PSRM) würden demnächst koalieren, was einen außenpolitischen Schwenk weg von der EU bedeuten würde. Neuwahlen sind auch möglich, gelten aber als unrealistisch. Denn fast alle im Parlament vertretenen Parteien drohten dann zu verlieren. Umfragen sehen Usatîis »Unsere Partei« und die Sozialisten mit Abstand vor den bürgerlichen Parteien.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal