Aufstand in australischem Haftlager für Flüchtlinge

Unruhen nach dem Tod eines Asylsuchenden, der fliehen wollte / Minister: »Kontrolle noch nicht wieder hergestellt« / Neuseeländischer Oppositionspolitiker spricht von Todesangst unter Lagerinsassen

  • Lesedauer: 3 Min.

Sydney. In einem Haftzentrum für Flüchtlinge auf der zu Australien gehörenden Weihnachtsinsel ist nach dem Tod eines Asylbewerbers ein Aufstand ausgebrochen. Der australische Einwanderungsminister sagte am Montag, die Kontrolle im Haftzentrum sei »noch nicht wiedererlangt« worden, sein Ministerium erklärte aber zugleich, es handele sich nicht um »großangelegte Ausschreitungen«. Neuseelands Regierungschef John Key kritisierte Australien für die Zustände auf der entlegenen Insel im Indischen Ozean.

»Die Ordnung und die Kontrolle sind im Zentrum noch nicht wieder hergestellt«, sagte Einwanderungsminister Peter Dutton dem Sender Sky News. Allerdings lägen ihm keine Berichte über Verletzte oder Schäden an der Umzäunung des Lagers vor. Auch habe bislang offenbar niemand zu flüchten versucht.

In einer Mitteilung seines Ministeriums hieß es, es sei zu einer »erheblichen Störung« im Lager gekommen. Personal sei daraufhin aus Sicherheitsgründen abgezogen worden. An dem Aufruhr habe sich die Mehrheit der gut 200 Lagerinsassen beteiligt habe. Die Weihnachtsinsel befindet sich rund 2600 Kilometer von der Nordwestküste Australiens entfernt.

»Eine Gruppe Häftlinge« sei immer noch in Aufruhr; es seien »einige kleine Feuer« gelegt und einige Teile der Einrichtung beschädigt worden, hieß es von Seiten des Ministeriums weiter. Ein Häftling sagte dem neuseeländischen Radiosender RNZ, einige Insassen hätten sich mit Baseballschlägern und Eisenstangen bewaffnet.

Die Ausschreitungen folgten auf friedliche Proteste am Sonntag, nachdem die Leiche eines aus dem Iran stammenden kurdischen Häftlings auf der Insel entdeckt wurde. Minister Dutton konnte Berichte nicht bestätigen, nach denen die Leiche des zuvor womöglich aus dem Haftzentrum geflohenen Mannes am Fuße einer Klippe gefunden wurde. Die genauen Todesumstände des Iraners seien noch nicht geklärt, sagte Dutton.

Der neuseeländische Oppositionspolitiker Kelvin Davis, der das Haftzentrum auf der Weihnachtsinsel vergangenen Monat besuchte, sagte dem Sender TV3, die Ausschreitungen hätten begonnen, nachdem ein Häftling auf Nachfrage zu den Todesumständen des iranischen Mitinsassen von Wachleuten ins Gesicht geschlagen worden sei. Einer der Inhaftierten habe ihm gesagt, die Leute hätten »Angst, erschossen zu werden«, sagte Davis.

Australiens Regierung verfolgt eine brutale Linie in der Flüchtlingspolitik: Menschen, die per Boot ins Land kommen wollen, werden zurückgeschickt oder sofort in Lager auf weit entfernte Inseln wie Nauru, Papua-Neuguinea oder die Weihnachtsinsel gebracht. Auch anerkannten Flüchtlingen wird dabei die Einreise verweigert.

Seit Ende 2014 werden außerdem in Australien ansässige Ausländer, die wegen einer Straftat verurteilt wurden, ähnlich behandelt. Darunter sind auch viele Bürger Neuseelands, weshalb die Regierung in Wellington gegen die Praxis regelmäßig Protest einlegt. Der neuseeländische Premierminister John Key verwies darauf, dass Ausländer oft schon wegen geringer Vergehen auf den Inseln interniert würden und nach Jahrzehnten in Australien keine Verbindungen mehr zu ihrem Geburtsland hätten. AFP/nd

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