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Spätes Echo des Kalten Krieges

Junge Union will »sozialistische Symbole« im Nordosten beseitigen - Sellering winkt ab

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
»Sozialistische Symbole« und auch Straßennamen von Sozialisten möchte die Junge Union in Mecklenburg-Vorpommern getilgt sehen. Das sei »ein bisschen lächerlich«, meint der Ministerpräsident.

Die Fratze eines drohend drein blickenden, hässlich gezeichneten Sowjetsoldaten erscheint am Horizont - und davor warnt die CDU: »Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau!« Es waren die 1950er Jahre, in denen die Konservativen mit diesem Wahlplakat in der Bundesrepublik Angst machen wollten. Hinter dem roten Stern, hinter Hammer und Sichel, hinter allem »Linken« lauert der Teufel, signalisierte die Adenauer-Partei. Und ihr Nachwuchs in Mecklenburg-Vorpommern tut das noch heute.

Denn: Der Landesverband der Jungen Union vermutet offensichtlich hinter allem, was irgendwie nach Sozialismus aussieht, den Bösen. Und so versucht sich die CDU-Jugend jetzt in moderner Bilderstürmerei, fordert durch ihren Landesvorsitzenden Franz-Robert Liskow: »Sozialistische Symbole müssen endlich verschwinden!« Leninbüsten und Sowjetsterne entfernen - das habe die Junge Union schon auf ihrem Landestag im vergangenen Jahr verlangt. Solche Symbolik sei »kein schützenswertes Kulturgut unseres Heimatlandes«.

Der Wahltermin

Schwerin. Die nächste Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern findet am 4. September 2016 statt. Das hat die SPD/CDU-Landesregierung am Dienstag beschlossen. Das dann zu wählende Parlament werde seine Aufgaben bis zum Jahr 2021 ausüben, teilte Innenminister Lorenz Caffier (CDU) nach einer Kabinettssitzung in Schwerin mit. Der Landtag hat 71 Abgeordnete. dpa/nd

Auch Namen von Persönlichkeiten, die nicht ins konservativ-kapitalistische Weltbild passen, möchten die Jungunionisten aus der Öffentlichkeit verbannen. Straßen, die etwa nach dem ersten DDR-Ministerpräsidenten Otto Grotewohl oder nach Ernst Thälmann benannt sind, »gehören der Vergangenheit an« und sollten zumindest diskutiert werden, schreibt Franz-Robert Liskow. Ein Fortbestehen »in Beton gegossener kommunistischer Propaganda« sei »weder im öffentlichen Raum, noch für das Totengedenken auf Kriegsgräberstätten angemessen und sollte daher so zügig wie möglich unterbunden werden«.

Liskow sieht den Ministerpräsidenten Erwin Sellering (SPD) »in der Pflicht«, sich für ein Verbotsverfahren zu DDR-Symbolen einzusetzen. »So langsam gewinnen wir den Eindruck, dass dem Ministerpräsidenten die DDR-Vergangenheit vieler Bürger in unserem Land einfach egal zu sein scheint«, schreibt der JU-Landeschef. Ein Vorwurf, der schon nach Landtagswahlkampf riecht.

»Ich finde solche Vorschläge 25 Jahre nach der Deutschen Einheit ein bisschen lächerlich«, erklärte der Regierungschef am Dienstag gegenüber »nd«. Die meisten Menschen in Ostdeutschland seien froh darüber, dass sie heute in einem vereinten Deutschland leben. »Sie wollen sich aber auch ihr Leben in der DDR nicht entwerten lassen«, betonte Sellering, und: »Wir brauchen keine rückwärtsgewandten Debatten über DDR-Symbole. Ich halte es für wichtiger, für die Anerkennung von ostdeutschen Lebensleistungen und für gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West heute einzutreten.«

Kommentiert hat die Wünsche der Jungunionisten auch die LINKE. Ihre Landesvorsitzende Heidrun Bluhm bekräftigt: »Demokraten müssen auch mit Vergangenheit umgehen können. Ein Denkmal ist zugleich auch immer ein Mahnmal.«

Eine Denkmal-Diskussion gibt es auch andernorts in Mecklenburg-Vorpommern: Ein über zwei Meter großer Karl Marx in Bronze, der bis 1991 in Neubrandenburg stand und dann zur Restaurierung abgebaut wurde, wird nicht wieder aufgestellt. Das hat die Stadtvertretung jüngst mehrheitlich entschieden und damit einen Pro-Marx-Antrag der Linksfraktion abgelehnt. Nicht weiter erörtert wurde im Kommunalparlament der Vorschlag eines parteilosen Ratsherrn, in der Stadt statt Marx eine andere Persönlichkeit per Denkmal zu ehren: Papst Johannes Paul II.

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