Klimawandel ändert Stadtplanung

Hitzewellen, Starkregen, Tornados - wie man in Hessen zu reagieren versucht

  • Sabine Ränsch, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Klimawandel ist nicht weit weg - es wird wärmer, Unwetter werden heftiger, Überschwemmungen treten fern der großen Flüsse auf. Wie stellen sich Stadtplaner darauf ein? Ein Bericht aus Hessen.

Jeder hat die Folgen des Klimawandels schon gespürt: Dürre und Hitze in diesem Jahr, Unwetter mit Starkregen im vergangenen Sommer. Solche Wetterextreme werden sich als Begleiterscheinungen des Klimawandels häufen, sagen Klimaforscher voraus. Das müsse auch in der Stadtplanung berücksichtigt werden. Überall in Hessen machen sich Planer Gedanken über Vorsichtsmaßnahmen, vor allem gegen große Hitze.

Klimaschutz zur Verhinderung weiterer Erderwärmung sei das eine, Anpassung das andere, sagt Heike Hübener vom Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie (HLUG). Dabei sollten schon bei der Stadtplanung Folgen der Erwärmung für Bewohner abgemildert werden - etwa durch ausreichende Beschattung öffentlicher Plätze oder Fassadenbegrünung gegen Hitzebelastung. In den Städten werde es immer wichtiger, Luftleitbahnen freizuhalten, damit nachts kühle Luft durch die Straßenschluchten fließen könne, sagt Hübener.

Frankfurt am Main, das schon 2008 eine »Koordinierungsgruppe Klimawandel« eingerichtet hat, schreibe schon in Bebauungsplänen die Begrünung vieler Flachdächer vor, erklärt Mark Gellert vom Planungsdezernat. Hauseigentümer würden verpflichtet, ihre Vorgärten gärtnerisch zu gestalten und nicht zuzupflastern. Bei der Planung von Neubaugebieten seien Kaltluftschneisen vorgesehen. »Es gibt viele kleine Schritte auf unterschiedlichen Ebenen«, sagt Gellert.

Ist ein Schutz gegen extreme Hitze noch relativ leicht möglich, wird es schwierig, sich gegen gewaltige Regenmengen in kurzer Zeit zu wappnen. Im vergangenen Jahr hatte eine zwei Meter hohe Flutwelle Wallernhausen in der Wetterau verwüstet, einen Ortsteil von Nidda. Ein sonst harmloses Flüsschen konnte die in Minuten heruntergestürzten Regenmassen nicht schnell genug abtransportieren. Stundenlang stand das Wasser meterhoch im Ort.

Niddas Bürgermeister Hans-Peter Seum (parteilos) schließt aus, dass die Kanalisation auf solche Ereignisse ausgelegt werden kann. Vielleicht könnte künftig Wasser bei extremen Wolkenbrüchen dorthin geleitet werden, wo es nicht stört, etwa in ein Feld. »Das wird kleine Erfolge haben.« Die Gemeinde sei noch in Gesprächen über mögliche Vorkehrungen, aber »die Experten haben noch keine Lösung gefunden.«

Auch Wiesbaden traf im vergangenen Sommer ein Unwetter mit enormen Regenfällen in extrem kurzer Zeit. Im Kurhaus und etlichen anderen Gebäuden liefen innerhalb von Minuten die Keller voll, Parkhäuser standen unter Wasser. Der Rambach wurde zum reißenden Strom. Inzwischen sei eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden, in der Tiefbauingenieure, Feuerwehr, Hydrauliker und Umwelttechniker zusammenarbeiten, teilt die Stadt mit. Derzeit werde ein Modell entwickelt, um die Fließwege des Hochwassers zu simulieren.

HLUG-Expertin Hübener sagt, bei der Planung neuer Stadtteile müsse an die Möglichkeit extremen Regenmassen gedacht werden, schon aus Kostengründen. »Nichts ist so teuer wie nachträgliche Veränderung.« Rückhalteflächen müssten gefunden werden, in die das Wasser abfließen könne, ohne Schaden anzurichten - also beispielsweise nicht in die Nähe von Krankenhäusern. Das HLUG habe ein Projekt zum Thema Starkregen begonnen. Ziel sei es, mit geringen Investitionen eine Verbesserung des Schutzes vor Unwetterfolgen zu erreichen.

In der »Koordinierungsgruppe Klimawandel« in Frankfurt am Main arbeiten verschiedene Ämter zusammenarbeiten. Das Stadtparlament hat nach Angaben des Planungsdezernats eine Anpassungsstrategie mit mehreren Zielen beschlossen - über ein medizinisches Warnsystem bei großer Hitze, über den Schutz von Unterführungen und Bahntunneln vor Überflutungen bis hin zur kontinuierlichen Umstellung des städtischen Baumbestands auf hitze- und trockenheitsresistentere Arten.

Die Nidda, die in Frankfurt in den Main mündet, ist bereits an vielen Stellen renaturiert worden. Altarme wurden wiederbelebt, damit sich der Fluss wieder breiter machen und Hochwasser aufnehmen kann. »Die Wasser-Rennstrecken wurden zurückgebaut«, sagt Gellert.

Allerdings ist nicht gegen jedes Extrem-Ereignis Schutz möglich. Im vergangenen Jahr hatte innerhalb von Sekunden ein Tornado den Kurpark von Bad Schwalbach im Taunus einfach umgemäht. Die zerstörerischen Wirbelstürme sind nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes kaum vorherzusagen. Einige Dutzend gibt es jedes Jahr in Deutschland - solange sie auf freies Feld treffen, werden sie meist gar nicht bemerkt. dpa/nd

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