Stärker zerrissen als vor dem Maidan

Parteien der Regierungskoalition holten bei ukrainischen Kommunalwahlen 37,7 Prozent / Rechte legten zu

  • Ulrich Heyden, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein weiteres Zeichen der Zerrissenheit der Ukraine setzen die Ergebnisse auch der zweiten Etappe der Kommunalwahlen.

Die jüngsten Wahlen zeigen, dass die Ukraine inzwischen noch stärker zerrissen ist als vor den blutigen Auseinandersetzungen vor zwei Jahren auf dem Maidan um die künftige Orientierung des Landes. Ganz nach diesem Muster wählte der Südosten russlandfreundliche Kandidaten. Im äußersten Westen bekam hingegen die rechtsradikale Swoboda- Partei zwischen 30 und 57 Prozent der Stimmen. Die landesweiten Ergebnisse der seit dem 25. Oktober absolvierten Kommunalwahlen waren erst jetzt Mitte November veröffentlicht worden.

Bei der Bürgermeisterwahl in Kiew sammelte Borislaw Berjosa, ehemaliger Sprecher des »Rechten Sektors« 33,5 Prozent der Stimmen. Amtsinhaber Vitali Klitschko kam im zweiten Anlauf am Sonntag allerdings auf 66,5 Prozent und zum Sieg. Er kandidierte für den »Blok Petro Poroschenko Solidarnost«.

Die Parteien der Regierungskoalition kamen bei den Wahlen der Gebiets- und Stadträte landesweit auf zusammen 37,7 Prozent. Stärkste Partei mit 19,4 Prozent (minus zwei Prozent im Verhältnis zur Parlamentswahl) ist der »Blok Petro Poroschenko-Solidarnost«, gefolgt von der Partei »Vaterland« Julia Timoschenkos. Sie konnte ihr Wahlergebnis im Verhältnis zur Parlamentswahl vor einem Jahr auf zwölf Prozent verdoppeln. Die rechtsnationale Samopomitsch des Bürgermeisters von Lviv, Andrej Sadowoj, bekam 6,3 Prozent. Die Partei »Volksfront« von Premier Arseni Jazenjuk trat wegen der allzu geringen Popularität des Premiers nicht an.

Drittstärkste Partei bei den Kommunalwahlen wurde der russlandfreundliche »Oppositionsblock« mit landesweit 11,5 Prozent. Das sind zwei Prozent mehr als bei der Parlamentswahl. Der Oppositionsblock und Kandidaten der ehemaligen »Partei der Regionen« schnitten besonders im Südosten der Ukraine gut ab. Bei den Bürgermeisterwahlen in Charkow und Odessa siegten schon in der ersten Runde Mitglieder der ehemaligen Regionalen - Gennadi Kernes und Gennadi Truchanow. In Kriwoi Rog und Pawlograd siegten Kandidaten des Oppositionsblockes.

Rechte Parteien und Kandidaten schnitten durchgehend gut bis sehr gut, ab. Die rechtspopulistische Partei Ukrop, die von dem Oligarchen Igor Kolomoiski finanziert wird und das erste Mal zu Wahlen antrat, erreichte bei den Kommunalwahlen überraschende 7,3 Prozent.

In der ostukrainischen Industriestadt Dnjepropetrowsk siegte der Ukrop-Kandidat Boris Filatow mit 55 Prozent gegen den Kandidaten des Oppositionsblockes Aleksandr Wilkul. Der Sieg des Ukrop-Kandidaten ist für Präsident Poroschenko, der die Macht im Land zentralisieren will, ein Problem. Nachdem Ende Oktober der Ukrop-Vorsitzende Gennadi Korban wegen Unterschlagung verhaftet wurde, rief sein Parteifreund Filatow die Menschen auf die Straße »zur letzten Schlacht gegen Revanchisten und Kollaborateure«.

Die rechtsradikale Partei Swoboda kam landesweit auf 6,7 Prozent. Das sind zwei Prozent mehr als bei der Parlamentswahl vor einem Jahr. Bei den Bürgermeisterwahlen in den westukrainischen Städten Lviv und Iwano-Frankiwsk wurde stramm rechts gewählt. In Lviv bekam der rechtsnationale Amtsinhaber Andrej Sadowoj 61 Prozent. Sein Herausforderer von Swoboda, Ruslan Koschulinski, holte 36 Prozent der Stimmen.

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