LINKE für Flüchtlingsaufnahmegesetz

Merkel will europaweite Flüchtlingskontingente / Noch weniger Asylrecht: Oettinger will Grundgesetz ändern / Umfrage: Weniger als ein Drittel sehen Flüchtlinge als Bereicherung

  • Lesedauer: 6 Min.

Update 10.45 Uhr: LINKE für Flüchtlingsaufnahmegesetz
Die LINKE hat der großen Koalition vorgeworfen, keine Linie in der Flüchtlingspolitik zu haben. »Es ist überfällig, dass die Bundesregierung sagt, wie sie es schaffen will«, sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch am Mittwoch in der Generaldebatte über den Haushalt im Bundestag. Die schwarz-rote Koalition gebe derzeit ein »Chaosbild« ab.
Bartsch sprach sich für ein »Flüchtlingsaufnahmegesetz« aus, das bundeseinheitlich Standards und Verfahren regele. Es müsse schnelle Sprachkurse geben, zudem sei eine rasche Eingliederung in Arbeit nötig. Die Attentäter von Paris seien auch das Ergebnis gescheiterter Integration, sagte der Linkspolitiker.

Update 10.40 Uhr: Merkel für europaweite Kontingente
Kanzlerin Angela Merkel hat ihre unionsintern heftig umstrittene Flüchtlingspolitik im Bundestag verteidigt. »Die simple Abschottung wird uns nicht das Problem lösen«, sagte die CDU-Chefin am Mittwoch in der Generaldebatte zum Bundeshaushalt. Es gehe darum, bei den Flüchtlingsströmen Illegalität durch Legalität zu ersetzen, um Schlepperbanden das Handwerk zu legen. Daher plädiere sie für »legale Kontingente« für Flüchtlinge, die »europaweit zu vereinbaren« seien. Ziel müsse auch sein, »die Zahl der bei uns ankommenden Flüchtlinge zu reduzieren«. Eine Schlüsselrolle nehme dabei die Türkei ein, der Deutschland auch finanziell bei der Versorgung der Migranten helfen werde.

Update 10.30 Uhr: CDU-Vize warnt vor Zugeständnissen an Türkei
CDU-Vizechef Thomas Strobl hat vor zu großen Zugeständnissen an die Türkei in der Flüchtlingskrise gewarnt. Einen Beitritt des Landes zur EU lehne er »nach wie vor entschieden ab«, sagte Strobl der »Welt« (Mittwochsausgabe). Angesichts der Situation von Religions-, Meinungs- oder Pressefreiheit in der Türkei seien seine Zweifel mit Bezug auf einen Beitritt zuletzt »eher noch größer geworden«.

Die Türkei spielt in der Flüchtlingsfrage eine entscheidende Rolle, weil sie die Zahl der nach Europa fliehenden Menschen durch schärfere Grenzkontrollen reduzieren könnte. Für das kommende Wochenende ist ein EU-Türkei-Gipfel geplant. In Aussicht gestellt wurde Ankara für eine verstärkte Grenzsicherung neben Milliardensummen auch ein neuer Anlauf bei den EU-Beitrittsgesprächen sowie beschleunigte Verhandlungen über eine Visa-Liberalisierung für türkische Bürger.

Update 7.45 Uhr: Asylpolitik auch Thema der Generaldebatte im Bundestag
Die Asylpolitik und die Diskussion über die Aufnahme von Flüchtlingen wird am Mittwoch die Generaldebatte im Bundestag im Rahmen der Haushaltsberatungen bestimmen. Mit Spannung wird die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem unionsinternen Streit über die umstrittene Forderung nach einer nationalen Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen erwartet. Merkel lehnt diese ab und setzt auf eine europäische Kontingentlösung. CSU-Chef Horst Seehofer pocht dagegen auf eine nationale Obergrenze.

Weniger als ein Drittel sehen Flüchtlinge als Bereicherung

Berlin. Politiker aus den Regierungsparteien machen weiterhin Front gegen Asylrecht und die Aufnahme von Flüchtlingen - was sich auch in den Ergebnissen von Umfragen niederschlägt. Nicht einmal ein Drittel der Bundesbürger sind laut einer im Auftrag der »Thüringischen Landeszeitung« erhobenen Umfrage der Meinung, die in Deutschland Zufluchtsuchenden Menschen seien eine kulturelle Bereicherung für ihr Land. Der These »Die Flüchtlinge sind eine Chance, weil sie die kulturelle Vielfalt in Deutschland erhöhen«, stimmten dagegen 52,5 Prozent nicht zu.

Dabei spiegelt sich auch eine politische Debatte, die die Asylsuchenden vornehmlich als Problem oder Gefahr ansieht. Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger von der CDU sagte jetzt etwa, das deutsche Asylrecht sei mitverantwortlich für die als »Flüchtlingskrise« bezeichnete Krise der Politik im Umgang mit Asylsuchenden. »Das deutsche Asylrecht wirkt wie ein Magnet auf die Flüchtlinge«, sagte Oettinger dem »Handelsblatt«. Dauerhaft lasse sich die Zuwanderung nach Deutschland nur reduzieren, wenn es »weniger Anreize« gebe, so der CDU-Politiker. Oettinger forderte eine Änderung des Grundgesetzes, »um das Asylrecht neu zu ordnen«. Allerdings seien SPD und Grüne dazu noch nicht bereit. »Solange dies nicht angegangen wird, bleibt eigentlich nur eine Alternative: Milliardenhilfen für die Flüchtlingslager in der Türkei und anderen Staaten«, sagte er. Die EU könne sich an der Finanzierung »nur begrenzt« beteiligen, da es nicht genügend Haushaltsspielraum gebe, sagte der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident.

Linken-Chef Bernd Riexinger reagierte auf Oettingers Forderung mit scharfer Kritik. Der CDU-Politiker habe »schon viel Unsinn geredet«, so Riexinger auf Twitter. Mit seiner jüngsten Auslassung habe er sich aber »selbst übertroffen«. Dies zeige, warum man Oettinger »nach Brüssel abgeschoben« habe.

Auch der parteipolitische Schlagabtausch geht weiter. Die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt hat unterdessen die SPD wegen angeblicher Unzuverlässigkeit in der Flüchtlingspolitik kritisiert. »Die SPD schnürt regelmäßig bereits vereinbarte Kompromisse wieder auf und rudert zurück. So kann das nicht funktionieren«, sagte Hasselfeldt der»Rheinischen Post«. »Schon gar nicht, wenn man bedenkt, wie viele Tausend Flüchtlinge nach wie vor jeden Tag nach Deutschland kommen.« Das Brechen von Vereinbarungen warf Hasselfeldt der SPD beim Thema Familiennachzug, beim Thema Aufnahmezentren und in der vor allem von der CSU geforderten Frage der schnellen Abschiebungen vor. »Wenn sich die Parteivorsitzenden auf eine Linie verständigt haben, müssen diese Vereinbarungen gelten. Das Problem ist zu groß. Die SPD darf nicht ständig auf die Bremse treten, nur weil sie selbst keine klare Linie hat.«

Unterdessen berichtet die »Rheinische Post«, dass die Einführung des einheitlichen neuen Flüchtlingsausweises den Bund 35 Millionen Euro kosten. Das geht aus dem Entwurf des Datenaustauschgesetzes des Bundesinnenministeriums hervor. Demnach soll jeder Flüchtling künftig einen »Ankunftsnachweis« mit sich führen müssen, der auch Grundvoraussetzung für den Bezug von Asylbewerberleistungen sein soll. »Für den Bund entstehen mit der Einführung des Ankunftsnachweises in den Jahren 2016 bis 2018 Kosten von rund 35 Millionen Euro«, heißt es in dem Entwurf. Darin enthalten seien unter anderem die Kosten für die Herstellung der Ankunftsnachweise und für neue Fingerabdrucklesegeräte beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Zudem sollen alle wichtigen Flüchtlingsdaten künftig bei der Erstregistrierung erfasst und in einem zentralen Kerndatensystem gespeichert werden, zu dem alle Sozial-, Ausländer- und Sicherheitsbehörden Zugriff haben.

Die Schaffung des Kerndatensystems koste einmalig weitere 15,5 Millionen Euro, heißt es in dem Entwurf. Die Systempflege und das dafür nötige Personal beim Bundesverwaltungsamt schlage mit gut fünf Millionen pro Jahr zu Buche. Im Kerndatensystem sollen dem Entwurf zufolge neben den Stammdaten »zusätzliche weitere Daten wie die im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung erhobenen Fingerabdrücke, das Herkunftsland und die Kontaktdaten zur schnellen Erreichbarkeit (Anschrift, Telefonnummern und E-Mail-Adressen, Angaben zur Verteilung)« sowie auch Schul- und Berufsabschlüsse, Sprachkenntnisse und Teilnahmen an Integrationskursen gespeichert werden. Agenturen/nd

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