Stürmische Zeiten für Ostseehäfen

An kleineren deutschen Standorten sinkt der Güterumschlag bereits deutlich

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Krisen in Russland und der Ukraine sowie eine schwächelnde China-Konjunktur belasten die Hafenunternehmen an der Ostsee ohnehin schon. Nun kommen auch noch neue Konkurrenz dazu.

An der deutschen Ostseeküste schaut man mit Sorge gen Osten. Jedenfalls tut dies die maritime Wirtschaft. Auf dem Jahrestreffen des Zentralverbandes der Deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) in Hamburg herrschte Moll vor: Sorgen bereitet den Häfen, dass sie im Wettbewerb zurückfallen. Grund sind Überkapazitäten und der Preiskampf, den neue Konkurrenten anfachen.

Dabei werden die deutschen Ostseehäfen von zwei Seiten in die Zange genommen: Im Westen vor Rotterdam sucht man am Megahafen »Maasvlakte 2« nach Beschäftigung - vor gut einem Jahr ging der neue niederländische Hafen in den Teilbetrieb. Im Osten wiederum wächst der Hafen im polnischen Gdańsk - und bald kommt der russische Tiefwasserhafen Bronka hinzu. Er befindet sich vor den Toren von St. Petersburg am Südufer des Finnischen Meerbusens. Mit einer Wassertiefe von über 14 Metern können selbst »dicke Pötte« das Prestigeprojekt des russischen Präsidenten Wladimir Putin anlaufen.

Bronka hat eine direkte Anbindung an den St. Petersburger Autobahnring und an das russische Eisenbahnnetz. Mit einer Gesamtfläche von 107 Hektar bietet der Containerterminal fünf Liegeplätze und ein RoRo-Terminal. Die Umschlagkapazität am Containerterminal beträgt mit der ersten Ausbaustufe 1,45 Millionen Container (TEU) im Jahr und am RoRo-Terminal 260 000 Lkw. Zum Vergleich: In Rostock wurden im ersten Halbjahr über die drei Fähr- und drei RoRo-Verbindungen von und nach Dänemark, Schweden und Finnland 173 260 Lkw transportiert.

Ohnehin ist die Logistikindustrie in Unruhe. Neue Umweltbestimmungen in der Ostsee und der niedrige Ölpreis führen zu einer »Neuordnung der Liniennetze«, sagt ein Sprecher der Hafen-Entwicklungsgesellschaft Rostock. Davon profitierten bislang vor allem Rostock selbst mit einem Güterumschlag-Plus von 9,5 Prozent in 2014, Stralsund (9,4) und Kiel (8,7).

Dagegen verlief die Entwicklung im vergangenen Jahr woanders dramatisch. Negativer »Spitzenreiter« ist der Hafen von Wolgast, der besonders unter seiner ostdeutschen Randlage leidet, mit einem Minus von 23,3 Prozent. Kaum besser schnitt Sassnitz ab, mit einem Rückgang des Güterumschlags von über 20 Prozent. Wismar verlor 12,5 Prozent. Im Trend ziehen die Großen neues Geschäft an, Stichwort Offshore-Windparks und Kreuzfahrtschiffe, während die kleinen Ostseehäfen verlieren.

Neben der Konkurrenz aus dem Osten und der lahmen Binnenkonjunktur in der Ostseeregion bereitet der schwächelnde Welthandel Sorgen. Der Frühindikator für den Welthandel steht auf einem Allzeittief. Der »Baltic Dry Index«, der die Entwicklung der Charterraten auf den wichtigsten Seehandelsrouten widerspiegelt, ist mit 504 Punkten auf den niedrigsten Stand seiner dreißig Jahre langen Geschichte gefallen. Immerhin signalisierte der am Mittwoch veröffentlichte »Containerumschlag-Index« des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) leichte Besserung im Oktober. Verbesserungen in einzelnen Monaten waren aber auch während früherer Abschwungphasen des Welthandels zu beobachten.

Der Seehafenverband ZDS fordert für den neuen Bundesverkehrswegeplan »prioritär« einen Ausbau der Infrastruktur und der Hinterlandanbindung. So müssten neben der Fahrrinnenanpassungen an der Elbe und der Ertüchtigung des Nord-Ostsee-Kanals auch andere Projekte angegangen werden: beispielsweise der Ausbau der Hafenzufahrten nach Rostock und Wismar. Doch selbst wenn alle Wünsche der Hafenbranche in Erfüllung gingen - die deutschen Ostseehäfen müssen sich wohl auf stürmische Zeiten einstellen.

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