Polnische atomare Phantastik

Nationalkonservative schwenken unter Kaczynski zu einer »Strategie der Abschreckung«

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 3 Min.
Was ausländische Kommentatoren für einen bösen Scherz halten, ist der neuen Macht in Warschau ernst: die Teilhabe an A-Waffen

Der Führer der Partei »Recht und Gerechtigkeit« (PiS), Jarosław Kaczyński, ist nicht nur dabei, Polen ein autoritäres Regime überzustülpen. Er stiftet nun auch Unruhe in der internationalen Arena. Es ist doch einfach unvorstellbar, dass der Chef von den Arbeiten im Verteidigungsministerium, die darauf abzielen, Polen an Atomwaffen teilhaben zu lassen, nichts gewusst haben sollte. Zudem gehört sein Stellvertreter in der PiS, Verteidigungsminister Antoni Macierewicz, zu seinen engsten und treuesten Kampfgefährten.

Dessen Vize im Militärressort Tomasz Szatkowski leitete bis vor kurzem das von rechten Experten besetzte Nationale Zentrum Strategischer Analysen und diente schon in der ersten PiS-Regierung (2005-2007) unter Macierwicz. Er sagte am Samstag, die polnische Regierung erwäge und analysiere die Möglichkeit einer Teilhabe am NATO-Programm, das seitens der USA den Bündnispartnern den Zugang zu Atomwaffen gestatten würde.

Alles deute darauf hin, so Szatkowski, dass unter der neuen Machtkonstellation auf die in den letzten 25 Jahren praktizierte »Strategie der Schwäche« verzichtet und die »Strategie der Abschreckung« bevorzugt werde. Diese werde allerdings nur in dem Falle real, wenn auch Polen seinen Finger am Abzug habe - selbstverständlich nur nach einer Entscheidung des US-Präsidenten. Die USA, räumte Szatkowski ein, hielten sich jedoch zurück: »Die Bemühungen, diese amerikanische Haltung zu ändern, stelle eine der wichtigsten Herausforderungen für den Präsidenten und die Regierung Polens dar«.

Am Sonntag dementierte das Verteidigungsministerium: »Derzeit wird im Ressort nicht an einer Teilhabe Polens am NATO-Programm Nuclear Sharing« gearbeitet. In der offiziellen Erklärung des Ministeriums ON wird betont, Polen plane nicht an Waffen zu gelangen, die unter den Nichtverbreitungsvertrag fallen. Es wird aber darauf hingewiesen, dass es im Westen ernsthafte Erwägungen von Experten über ein Defizit in der Verteidigungsfähigkeit gebe. Daher könne man ja darüber nachdenken, ob Polen als dem Land an der NATO-Ostflanke nicht dieselben Rechte wie der Türkei zugebilligt werden könnten.

Jacek Sasin, ein wichtiger Mann an der Seite des Staatspräsidenten Andrzej Duda, meinte, man solle sich durchaus ernsthaft mit einer Teilhabe an Atomwaffen beschäftigen. Ryszard Petru, Chef der Partei »Modernes Polen«, nannte das Thema viel zu ernst, um nach einer Erklärung eines Staatssekretärs gleich eine Debatte zu beginnen. Das allerdings will der Rocker und Neuling im Parlament Pawel Kukiz. Er fand das Vorpreschen undurchdacht, den Kern der Sache aber wichtig. Władysław Kosiniak- Kamysz von der Bauernpartei vertraut auf die NATO so, wie sie ist.

In der Gazeta Wyborcza nannte am Montag unter dem Titel »Polnische atomare Phantastik« Wojciech Czuchnowski die Auslassungen des Staatssekretärs völlig unverantwortlich. Das Anknüpfen an das Konzept Nuclear Sharing sei ein Überbleibsel des Kalten Krieges. Der ehemalige Verteidigungsminister in der Regierung der Bürgerplattform (PO) Tomasz Siemoniak nannte eine Regierung, die nach wenigen Tagen plötzlich mit Forderungen nach nuklearen Waffen herausrückt, ebenfalls unverantwortlich. »The Guardian« fragte irritiert: »Ist das ein Spaß?«

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