Fortschritte bei der Finanzsteuer

Zehn EU-Finanzminister einigen sich auf Grundgerüst

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 2 Min.
Seit über vier Jahren wird die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Europa diskutiert. Am Dienstag einigten sich zehn Staaten auf einen Rahmen.

Detlev von Larcher ist verhalten optimistisch. Er ist in Sachen Finanzmärkte und Steuerpolitik Experte für das globalisierungskritische Netzwerk Attac und Moderator der Kampagne »Steuern gegen Armut«. Was den ehemaligen Bundestagsabgeordneten am Dienstag positiv stimmte, war auch auch ein kurzer Satz des österreichischen Finanzministers Hans Jörg Schelling.

»Seit heute ist sie wieder lebendig«, hatte der konservative Politiker in Brüssel erklärt. Mit »sie« ist die Finanztransaktionssteuer gemeint. Zehn europäische Finanzminister haben sich nach zähen Verhandlungen auf ein Grundgerüst zur Einführung der Abgabe auf bestimmte Finanzspekulationen geeinigt. Estland jedoch verlässt vorerst die Koalition der Willigen - eine Tatsache, die von Larcher zufolge aber zu verschmerzen ist.

Seit über vier Jahren diskutiert Europa die Einführung dieser Steuer. Mit ihr sollen nicht nur die Kapitalmärkte sicherer gemacht und neuen Krisen vorgebeugt werden, sondern auch die Finanzakteure an den Kosten der Bankenkrise der Jahre 2007 und 2008 beteiligt werden. Ein Gutachten im Auftrag des Bundesfinanzministeriums kam etwa im September vergangen Jahres zu dem Ergebnis, dass die Steuer je nach Ausgestaltung 17,6 bis 88 Milliarden Euro in die Kassen des deutschen Fiskus spielen könnte.

Im Juni 2012 wurde das Vorhaben einer EU-weiten Abgabe wegen des Widerstandes aus Ländern wie Großbritannien und Luxemburg jedoch aufgegeben. Seitdem verhandelten elf Länder im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit weiter, darunter unter anderem Frankreich und Deutschland. Eigentlich sollte die Steuer Anfang 2016 eingeführt werden. Aus diesem Termin wurde aber nichts, wie Finanzminister Wolfgang Schäuble im Mai dieses Jahres zugeben musste.

Deswegen wurde das vorläufige Ausscheiden Estlands am Dienstag in verschiedenen Medien bereits als das vorläufige Ende der geplanten Finanztransaktionssteuer gewertet. »Die vereinbarten Eckpunkte entsprechen zwar nicht unserer Idealvorstellung, sind aber ein akzeptabler Kompromiss«, meint indes von Larcher. Was den Attac-Aktiven jedoch wurmt, ist, dass unter anderem Devisentransaktionen nicht erfasst und der Handel von Staatsanleihen von der Steuer ausgenommen werden soll.

Doch ganz durch ist die Steuer noch nicht. Es muss sich unter anderem zunächst noch über ihre Höhe verständigt werden. Bis Mitte 2016 wollen die zehn verbleibenden Länder die offenen Fragen klären. Die Lobbyisten stehen schon in den Startlöchern: Am Dienstag forderten acht deutsche Wirtschaftsverbände wie der Bankenverband und der Bundesverband der Deutschen Industrie einen Stopp der Steuer. Kommentar Seite 4

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.