Die Svendsen-Familie in Schwierigkeiten

Peter Høeg aus Dänemark: Nach »Fräulein Smillas Gespür für Schnee« nun »Der Susan-Effekt«

  • Fokke Joel
  • Lesedauer: 3 Min.

Susan Svendsen ist Physikerin und ihr Mann Laban »einer der bekanntesten Komponisten Dänemarks«. Ihre beiden Kinder, die Zwillinge Thit und Harald, sind erst sechzehn und gehen noch in die Schule. Das amerikanische Time-Magazin hat die Svendsens einmal auf der Titelseite mit der Überschrift »The Great Danish Family« abgebildet. Doch auf einer Urlaubsreise nach Indien gerät die skandinavische Musterfamilie in Turbulenzen. Während Susan versuchter Totschlag vorgeworfen wird, soll Laban mit einer 17-jährigen Maharadscha-Tochter durchgebrannt sein und die »versammelte indische Mafia auf den Fersen« haben. Thit hat einen Priester des Kalitempels in Kalkutta verführt und Harald sitzt an der Grenze zu Nepal wegen angeblichem Antiquitätenschmuggels im Gefängnis.

Doch dann taucht ein ominöser Mann bei Susan im Gefängnis auf und behauptet, von der dänischen Botschaft zu sein. Er befreit die Familie aus ihren Schwierigkeiten und bringt sie zurück nach Dänemark. Natürlich will er im Austausch für Straffreiheit der Svendsens eine Gegenleistung: die Namen der Mitglieder der Zukunftskommission und die letzten Protokolle ihrer Sitzungen. Aber niemand kennt eine »Zukunftskommission« und nirgendwo ist etwas über sie zu finden.

Dass gerade Susan Svendsen zu diesem Auftrag genötigt wird, hat einen Grund und dem neuen Roman von Peter Høeg den Titel gegeben: »Der Susan-Effekt«. Menschen, ganz gleich welchen Geschlechts und Alters vertrauen sich der dänischen Physikerin an. Sie kann nichts dagegen tun, plötzlich werden ihr die innersten Ängste und Nöte eingestanden. Für die Polizei hat sie eine Zeit lang hartnäckige Verbrecher zum Geständnis gebracht. Wer, wenn nicht sie, könnte etwas über die geheimnisvolle Kommission herausfinden?

Doch dann werden Mordanschläge auf die Svendsens verübt, denen die Familie nur mit knapper Not entgeht. Der Mann von der Botschaft kann diese Anschläge kaum in Auftrag gegeben haben, schließlich will er an Informationen über die Zukunftskommission herankommen. Aber wer sollte sonst dahinter stecken? Wie in »Fräulein Smillas Gespür für Schnee« gerät Peter Høegs Heldin und Erzählerin auf dem Weg, diese Frage zu klären, von einer Gefahr in die nächste. Nur dass sich Høegs Schreibweise seit seinem Bestseller von 1996 verändert hat. In »Der Susan-Effekt« setzt er weniger auf die Atmosphäre und mehr auf die Handlung. Daneben sind alle Figuren des Romans in der einen oder anderen Weise außergewöhnlich. Die meisten sind extrem intelligent. Dass die Svendsens nicht die dänische Musterfamilie sind, spielt für die Geschichte nach den ersten Seiten nur noch selten eine Rolle. Als Gejagte und bei der Rettung der Welt, die sich am Ende dann doch nicht als Rettung der Welt entpuppt, halten die Svendsens zusammen.

Wenn man nicht wüsste, dass Peter Høeg nach der Verfilmung von »Fräulein Smillars Gespür für Schnee« jede Verfilmung seiner Bücher verboten hat, könnte man beim Lesen parallel das Drehbuch für den neuen (dänisch-weiblichen) 007 schreiben. »Der Susan-Effekt« ist kein langweiliges Buch, aber das Personal des Romans ist durchweg von Klischees geprägt. Fast alle Figuren sind Wunschfiguren, mit denen sich jeder gerne identifiziert, bis hin zu den alten Nachbarn der Svendsens, deren Liebe, Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit grenzenlos zu sein scheint und die man selbst gerne als Nachbarn hätte. Am Ende der Lektüre geht es einem deshalb wie bei einem mittelmäßigen Krimi, den man wegen eines halbwegs spannenden Plots zu Ende gesehen hat. Aber bei dem man sich danach ärgert, so viel Zeit beim Zusehen verbracht zu haben.

Peter Høeg: Der Susan-Effekt. Roman. Aus dem Dänischen von Peter Urban-Halle. Hanser. 400 S., geb., 21,90 €.

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