Europäische statt nationale Abschottung
EU-Kommission will Grenzschutz mit Frontex ausbauen
Mehr illegale Grenzübertritte als je zuvor - kurz vor der Vorstellung eines Plans zum Ausbau der Grenzschutzagentur Frontex brachte die selbst »Rekordzahlen« auf den Tisch. Rund 1,55 Millionen Menschen haben binnen elf Monaten bis einschließlich November unerlaubt die EU-Außengrenzen überquert, wie Frontex am Dienstag in Warschau mitteilte.
Zu der vermeintlichen Schreckensmeldung gehört aber auch der Fakt, dass im November ein Rückgang auf 269 000 illegale Einreisen in die EU zu verzeichnen war. Im Vormonat waren es noch 283 000. Frontex führt die Entwicklung auf schlechtere Wetterbedingungen zurück, schließt aber auch nicht aus, dass sich die strikteren Grenzkontrollen auf der sogenannten Westbalkanroute bereits ausgewirkt haben. Und zwar doppelt: Viele Flüchtlinge übertreten auf ihrem Weg nach Deutschland oder in andere westeuropäische Länder mehrfach EU-Außengrenzen. »Eine große Zahl der Menschen, die in Griechenland gezählt werden, reist über Ungarn oder Kroatien ein zweites Mal in die EU ein«, gestand Frontex ein.
Die meisten Menschen, die so Sicherheit in Europa suchen, kommen weiterhin aus Syrien, Irak und Afghanistan. Sie haben angesichts der aktuellen Lage in ihren Heimatländern in der Regel Anrecht auf Asyl. Dennoch scheint keiner von ihnen willkommen zu sein, zumindest bei Betrachtung der neuen Pläne der EU-Kommission zum verstärkten Schutz der europäischen Außengrenzen, die am Dienstag in Straßburg vorgestellt wurden.
Der Vorschlag sieht den Ausbau der umstrittenen Agentur Frontex zu einer zu einer »echten Küsten- und Grenzschutzbehörde« vor. Dafür soll etwa das Personal aufgestockt werden. Die EU-Staaten sollen mindestens 1500 Grenzschützer bereitstellen, die Frontex »in Schnelleingreiftruppen innerhalb von Tagen« losschicken kann. Eigene Einheiten sollen auch mit der Befugnis ausgestattet werden, die Kontrolle über einen Grenzabschnitt zu übernehmen, wenn das betreffende Land dazu nicht in der Lage ist.
Für die Europaabgeordnete Ska Keller (Grüne) geht ein Ausbau von Frontex in die falsche Richtung. »Der Vorschlag bietet keine Lösung für die Flüchtlingskrise«, so Keller. Mitgliedsstaaten, die die Aufnahme von Geflüchteten verweigern, würden durch die Pläne gestärkt. Keller plädiert hingegen für einen Ausbau des Europäischen Asylunterstützungsbüros (EASO), das gerade einmal 80 Mitarbeiter hat und auf Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems hinwirken soll. Zudem müssten Grundrechtsverletzungen, die Frontex immer wieder zum Vorwurf gemacht werden, konsequent aufgearbeitet werden.
Frontex wurde 2005 auf Grundlage einer EU-Verordnung gegründet. Bis zum Sommer hatte die Agentur nur etwas mehr als 300 Mitarbeiter, in der Regel Polizisten, die Amtshilfe leisten - auch bei Abschiebungen. Menschenrechts- und Flüchtlingshilfsorganisationen kritisierten die Praktiken der Beamten immer wieder, insbesondere wenn es zu Zurückweisungen, zu sogenannten push-backs, kam.
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