Torschlusspanik an Werra und Weser

Länder beschließen Maßnahmen zur Salzreduzierung

Ein Maßnahmenpaket soll die Salzbelastung von Werra und Weser spürbar reduzieren. Die betroffenen Gemeinden sind skeptisch.

Die deutsche Politik musste liefern: Bis zum 22. Dezember verlangt die EU-Kommission von der Bundesrepublik zu erklären, wie sie die Nicht-Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie an Werra und Weser zu beenden gedenkt. Brüssel hatte 2012 deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und droht mit Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Kurz vor Toresschluss beschlossen die sieben Anrainerländer von Werra und Weser am Dienstag einen »Masterplan Salzreduzierung«, wobei sich aber Niedersachsen enthielt. Mit verschiedenen Maßnahmen soll die Salzbelastung der Werra durch den Kalibergbau bis Ende 2027 halbiert werden. Dadurch solle »ein guter ökologischer Gewässerzustand erreicht und negative Beeinflussungen auf Pflanzen- und Tierwelt vermieden werden«, wie es die EU-Wasserrahmenrichtlinie verlangt.

Der Kasseler Konzern K+S fördert im hessisch-thüringischen Grenzgebiet in großem Stil Kalisalz und verarbeitet es in Fabriken zu Düngemitteln. Salzhaltige Produktionsabwässer gelangen in den Fluss Werra, der in die Weser mündet, die wiederum in die Nordsee fließt. Der Maßnahmenplan sieht vor, dass Salzlaugen in einer bis 2018 im hessischen Hattdorf zu errichtenden Kainit-Kieserit-Flotationsanlage (KKF) eingedampft werden. Verbleibende Abwässer sind spätestens ab 2021 unter Tage zu lagern. Ferner sollen die riesigen Abraumhalden der Kaliwerke abgedeckt werden, um zu verhindern, dass Niederschläge hier ständig Salze heraus waschen, die ins Grundwasser oder in Fließgewässer gelangen. Die Maßnahmen, die die gleichen Ziele wie eine lange diskutierte Nordseepipeline erreichen soll, hat K+S zu bezahlen - ein Konzernsprecher bezifferte die Investitionskosten auf rund 400 Millionen Euro.

Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) sprach von einem »Meilenstein«, um langfristig den »guten Zustand« der Werra zu erreichen. Der Masterplan sei in enger Abstimmung mit der K+S-Geschäftsführung erarbeitet worden, wie sie in einer Aktuellen Stunde im Erfurter Landtag am Mittwoch erklärte.

Walter Hölzel, der Vorsitzende der Werra-Weser-Anrainerkonferenz, eines Zusammenschlusses von Kommunen, Verbänden, Genossenschaften und Wirtschaftsbetrieben in den betroffenen Regionen, spricht dagegen von »Etikettenschwindel« und »scheinheiligen Wortspielen«. Er weist darauf hin, dass es bessere technische Möglichkeiten als die von K+S präferierte KKF-Technologie gebe und es unklar sei, ob die Abdeckung der Abraumhalden technisch funktioniere. Vor allem sehe der Masterplan als Möglichkeit den Bau eines »Werra-Bypasses« vor - eine direkte Abwassereinleitung in die Oberweser.

K+S setzt derweil, wie seit Jahren geübt, die Arbeitsplätze als Druckmittel ein. Zum 1. Dezember war in Hessen eine Genehmigung für den Konzern zum Versenken der Salzlauge in den Erdboden ausgelaufen. Daraufhin drohte K+S, einer der großen Arbeitgeber im Grenzgebiet von Hessen, Thüringen und Niedersachsen, mit Produktionsaussetzungen. Das Regierungspräsidium in Kassel prüft derzeit eine erneute Übergangslösung - Kritiker meinen hingegen, dies würde gegen bundesdeutsches und EU-Recht verstoßen.

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